Ich, der Bruder Leichtfuß

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Theaterregisseur David Bösch über die Definition von "Neuinszenierung“, die Schwierigkeit, als Deutscher in Wien Nestroy zu inszenieren, - und sein Image als "wilder Hund“.

Am 29. Oktober findet die Premiere von Shakespeares "Romeo und Julia“ im Burgtheater in der Regie von David Bösch (33) statt. Bösch begeisterte in Wien mit Kroetz’ "Stallerhof“ im Kasino und Lohers "Adam Geist“ im Akademietheater. Seine "Romeo und Julia“-Inszenierung konzentriert sich auf die Leichtigkeit des Verliebtseins und den jugendlichen Furor.

Die Furche: Ihnen eilt der Ruf voraus, federleichte Shakespeare-Inszenierungen zu entwickeln. "Romeo und Julia“ haben Sie bereits vor sieben Jahren am Schauspielhaus Bochum unter Matthias Hartmann gemacht, er nahm die Produktion mit nach Zürich. Ist es nicht schwierig, zum dritten Mal in derselben Intendanz dasselbe Stück zu zeigen? Was wird in Wien neu sein, was wird der Arbeit von früher gleichen?

David Bösch: Da ist die Frage, was man unter Neuinszenierung versteht; ich frage Sie umgekehrt: Haben Sie die Inszenierung in Bochum bzw. Zürich gesehen?

Die Furche: Nein.

Bösch: Also ist es für Sie neu, wie es für die meisten Zuseher wohl neu ist. Tatsächlich fällt mir zu "Romeo und Julia“ immer etwas ein. Vielleicht ist es sogar das Stück meines Lebens. In Wien handelt es sich um eine Adaption, wir spielen im gleichen Bühnenbild, aber außer Fabian Krüger als Mercutio und André Meyer als Benvolio ist die Besetzung neu, und dadurch wird es auch eine andere Inszenierung werden. Bislang war Pater Lorenzo sehr jung besetzt, er war genauso alt wie Romeo und Julia, in Wien spielt nun Branko Samarovski den Pater, dadurch bekommt die Situation eine neue Farbe, eine andere Klasse. Die Amme spielt bei uns Brigitta Furgler, sie ist eine wunderbare Schauspielerin und ein ganz anderer Typ als die vor allem komische Amme in Zürich. Ignaz Kirchner ist als Vater Capulet zu sehen. Es wird bestes Schauspielertheater geben, und ich glaube sehr an die Qualität dieses einzigartigen Ensembles.

Die Furche: Was ist dabei für Sie als Regisseur interessant?

Bösch: Einerseits ist es toll, an der großen Bühne inszenieren zu dürfen. Andererseits ist es für mich persönlich schön, denn das Wiener und Münchner Publikum mochte meine Arbeit viel lieber als das Berliner. Umso mehr freut es mich, dass ich diese Inszenierung zeigen kann, die ich als jüngerer Mensch gemacht habe und die ich für gelungen halte. Für mich ist die Auseinandersetzung mit einer Arbeit spannend, als ich selbst noch anders auf die Liebe, auf die Welt geschaut habe. "Romeo und Julia“ ist übrigens mein erster Shakespeare, als ich noch unverfänglich Komik und Tragik mischte. Das ist in den letzten Jahren ein wenig verloren gegangen. Mir bedeutet es viel, dieser Produktion jetzt wieder zu begegnen, einer relativ klassischen Inszenierung, die modern, aber nicht modernistisch ist, im Geist jugendlich frisch, frech, manchmal zotig, manchmal quatschig, und die den Kern trifft.

Die Furche: Als Sie "Romeo und Julia“ erstmals inszenierten, waren Sie ungefähr so alt wie jetzt der Darsteller des Romeo, Daniel Sträßer. Er kommt direkt von der Schauspielschule, was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Bösch: Ich bin der Überzeugung, dass man "Romeo und Julia“ nur unter 30 machen sollte. In meiner Interpretation sind die Jungen ganz groß; ich habe daher auch Romeos Eltern gestrichen, die Freunde sind der Familienersatz, dadurch wird der Konflikt zwischen seinem alten Leben und der Julia, der neuen Erfahrung, spannender. Daniel Sträßer passt besonders gut als Romeo, ich habe ihn mir in dieser Rolle gewünscht. Er verfügt über eine große Unverschämtheit, mit der er sich die Bühne nimmt, aber auch über die Fähigkeit, diese Kurve zu spielen, von der Leichtigkeit zu einer tiefen emotionalen Verzweiflung. Da wird etwas Erfrischendes zu sehen sein. Daniel ist offen und ohne Vorbehalte. Die Gefahr, dass man das mit der Zeit verliert, ist groß, da muss man sich schützen.

Die Furche: Was bedeutet es für die Jungen, vor allem für Daniel Sträßer, in diese Produktion einzusteigen?

Bösch: Ich glaube, dass es für einen jungen Schauspieler eine Chance bedeutet, dass ich bei diesem Stück viel Erfahrung mitbringe. Dadurch habe ich als Regisseur eine gewisse Sicherheit, das ist etwas ganz anderes, als wenn alles völlig neu ausprobiert wird. Vielleicht geht man damit den einen oder anderen Umweg diesmal nicht, sondern kann direkter arbeiten.

Die Furche: Die Schauspielerin Sarah Viktoria Frick, mit der Sie schon lange erfolgreich zusammenarbeiten, ist dieses Mal nicht dabei. Fehlt sie Ihnen?

Bösch: Das ist natürlich eine spezielle Beziehung zu ihr. Sarah Viktoria Frick und ich werden unser ganzes Leben zusammenarbeiten, sie hat aber auch viel mit anderen Regisseuren gemacht, und auch ich habe mit anderen gearbeitet. So konnten wir uns trotzdem Unabhängigkeit bewahren. Mit ihr möchte ich an der Burg Nestroys "Der Talisman“ inszenieren, sie ist nur gerade erst Mutter geworden - ich bin übrigens Patenonkel - und daher gibt es eine neue Situation, auf die man Rücksicht nehmen muss.

Die Furche: Birgt das nicht Gefahren, wenn Sie sich an Johann Nestroy - den Säulenheiligen der Wiener - heranmachen?

Bösch: Da stellen sich schon die Fragen: Was sind die Erwartungen, die an einen herangetragen werden, was sind die Vorbehalte? Trotz allem versuche ich meine Entscheidungen persönlich und mit viel Lust zu treffen. Da geht es auch darum: Macht der Stoff etwas mit mir? Was kann ich damit anfangen? Ich bin ja ein Freund des Shakespearehaften bei Nestroy. In Deutschland kriegt man Nestroy leider kaum durch, da gibt es zu viel Angst, dass man dafür kein Publikum gewinnt. In Österreich wieder ist die Konstellation schwierig, den "Talisman“ als Deutscher zu inszenieren …

Die Furche: Seit Jahren gelten Sie als Newcomer. Dieses Image werden Sie schwer los. Wird man in zehn Jahren immer noch vom Newcomer Bösch sprechen?

Bösch: Ich lese heute über jüngere Regisseure die gleichen Artikel, die über mich geschrieben wurden. Ich selbst habe mich allerdings nie als "modernistischen Newcomer“ gesehen. Meine Bandbreite reicht von "Käthchen von Heilbronn“ bis "Stallerhof“, auch wenn ich vielleicht wild und verwegen aussehe und als Bruder Leichtfuß gelte. Trotzdem ist der Umgang mit Zuschreibungen nicht immer ganz leicht. Im Sommer etwa habe ich in Korea "Urfaust“ inszeniert und dabei eine wichtige Erfahrung gemacht: Ich wollte, dass sich der Schauspieler, der den Mephisto spielte, in einen Hund verwandelt. Ich dachte, dass es sich dabei um eine leidende, eine Büchner’sche Kreatur handeln müsse. Diese Idee kam aus dem Versuch und Bedürfnis, in Deutschland ernst genommen zu werden. Dann kam eine Kollegin zu mir und fragte, warum es denn kein lustiger Hund sein könne. Und tatsächlich passte es so, mit mehr Leichtigkeit, viel besser.

* Das Gespräch führte Julia Danielczyk • Fotos: Katrin Bruder |

Für witzige, poppige, effektstarke Inszenierungen bekannt

Der 1978 in Lübbecke (NRW) geborene David Bösch studierte in Burghausen Theater- und Filmregie, wechselte dann an die Hochschule für Musik und Theater in Zürich. 2004 inszenierte er bei den Salzburger Festspielen Simon Stephens’ "Port“. Große Erfolge feierte Bösch in Essen u. a. mit Shakespeares "Viel Lärm um nichts“, wofür er den Young Directors Award der Salzburger Festspiele erhielt. Unter Matthias Hartmann inszenierte Bösch am Schauspielhaus Bochum Goethes "Clavigo“, Shakespeares "Der Sturm“ sowie "Romeo und Julia“ - eine besonders erfolgreiche Arbeit, die Hartmann ans Zürcher Schauspielhauses übernahm, wo Bösch auch für die Regie von Marivaux’ "Der Streit“, Schillers "Kabale und Liebe“ und Burgess’ "A Clockwork Orange“ verantwortlich zeichnete. In Wien reüssierte Bösch 2009 mit Dea Lohers "Adam Geist“ im Akademietheater - die Arbeit wurde zu den Autorentheatertagen Berlin eingeladen - sowie 2010 mit Franz Xaver Kroetz’ "Stallerhof“ im Kasino. Bösch ist für seine witzigen, poppigen, effektstarken Arbeiten bekannt. (jd)

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