Shakespeare, heftig verbessert

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Das Young Directors Project bei den Salzburger Festspielen gibt Einblick in die Weltsicht der Dreißigjährigen.

Anton Thuswaldner hat dabei viel Unbekümmertheit entdeckt.

Eigentlich sind die jungen Rebellen, die die alten Texte umstürzen, dass kein Szenenbaustein mehr auf dem anderen bleibt, recht konventionelle Genossen. Zeitgeist-Genossen in erster Linie. Sie lesen nicht klassische Stücke, um unser borniertes, enges Gegenwartsbewusstsein auf die Probe zu stellen, sie lassen sich nicht irritieren vom Befremdlichen, Ungeheuren, ihr Begehr ist, dem Publikum zu zeigen, dass die Klassiker uns gehören - und zwar mit Haut und Haaren. So wird Shakespeare ein Gegenwartsmützchen aufgesetzt, damit er endlich auch einmal so denkt wie wir.

David Bösch hat in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Thalia Theater eine Version von Viel Lärm um nichts erarbeitet. Der Autor habe sich an die Konvention gehalten, meinte er im Gespräch, und diese sei für die heutige Zeit nicht brauchbar. Es stimmt, dass uns eine Komödie nicht recht einleuchten will, die eine Frau ins tiefe Unglück stürzt. Hero wird das Opfer einer Intrige, sie wird von ihrem Geliebten, der die Hochzeit platzen lässt, verhöhnt und öffentlich gedemütigt. Und am Ende soll sich alles einrenken, aller Schmerz wird durch die doch noch stattfindende Hochzeit getilgt? Es ist etwas faul im Staate Österreich, wenn wir das heute ohne Murren schlucken.

Aber Bösch ersetzt die Shakespearsche Konvention durch eine zeitgemäße, nur unwesentlich klügere. Shakespeare erfindet gegen jede Vernunft ein Happy End. David Bösch erfindet im Vollbesitz seiner Vernunft ein Ende mit toten Männern. Jetzt haben wir einen vernunftgesättigten Shakespeare vor uns, der mit Menschen aufwartet, wie wir sie alle kennen, von Leidenschaft bereinigt, ein bisschen durchschnittlich. Liest man den Text, trifft man auf Menschen, die völlig anders sind als wir. Sie bilden einen Angriff auf unsere mediokre Haltung, sich abzufinden mit dem, was ist, sie sind Provokateure, weil sie zeigen, dass die Liebe den Einbruch des Unkalkulierbaren in ein gefestigtes Lebensgefüge bedeutet.

Ein Riss geht durch die Inszenierung. Zuerst sehen wir eine Komödie, die, wie es uns gefällt, mit intelligentem Humor auffährt. Nach der Pause wohnen wir einer Tragödie bei. Aus der Literatur weiß man, dass wenig begabte Autoren, sobald ihnen die Konflikte ihrer Figuren über den Kopf wachsen, den Tod zuschlagen lassen. Bösch macht es genauso. Aber was hätte er leisten können, wenn er die Sache mit der Liebe ernst genommen hätte! Dann würden womöglich Paare, bedroht durch Intrigen, die aus der Gesellschaft kommen, ein utopisches Gegenmodell bilden. Aber das ist eine andere Geschichte. Dennoch war diese Aufführung ein bemerkenswertes Erlebnis, zumal die Schauspielleistungen - allen voran Julie Bräuning als Hero und Judith Hofmann als Beatrice - überragend waren.

Friederike Heller inszenierte in Koproduktion mit dem Burgtheater Peter Handkes Stück aus den siebziger Jahren Die Unvernünftigen sterben aus. Dieses Drama hat sich überaus gut gehalten. Handke schrieb den Kapitalismus in Grund und Boden. An der Figur des Hermann Quitt führte er vor, wie dieses Wirtschaftssystem seine eigenen Kinder frisst.

Heller nahm den Text ernst und stellte eine böse, kühle Satire auf die Bühne. Die Aufführung wird nie platt, weil sie gar nicht erst versucht, Manager aus Fleisch und Blut zu porträtieren. Die Demaskierung dubioser Charaktere geschieht, das entspricht ganz dem Handkeschen Konzept, über die Sprache. So treten nicht nur einfältig-böse Kapitalisten auf, denen es um Macht, Geld und Herrschaft geht. Sie sind gebrochene Charaktere, unruhige Spießer ebenso wie anarchistische Kleingeister. Eine überraschende Begegnung mit aufgewühlt lebendigem Theater.

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