Zwischen Daunen und Asche

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David Böschs Inszenierung von Kleists "Das Käthchen von Heilbronn" bleibt trotz - oder wegen? - der massiven Kürzungen jenes schon immer gewesene Rätsel, das allerdings einige Schauwerte bereithält.

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David Böschs Inszenierung von Kleists "Das Käthchen von Heilbronn" bleibt trotz - oder wegen? - der massiven Kürzungen jenes schon immer gewesene Rätsel, das allerdings einige Schauwerte bereithält.

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Kleists "Käthchen von Heilbronn", das vor genau 205 Jahren in Wien uraufgeführt wurde und das, seit es im 19. Jahrhundert zu den Lieblingsdramen gehörte, bis heute eine (oft recht spröde) Geliebte auf deutschsprachigen Theaterbühnen geblieben ist, beginnt in einer finsteren unterirdischen Höhle.

In der Inszenierung von David Bösch am Wiener Burgtheater bleibt es auch die folgenden zwei Stunden dort. Das ist nun freilich nicht nur im buchstäblichen Sinne für die von Patrick Bannwart ersonnene Bühne gemeint, wo in einer hohen aschgrauen Halle aus breiten Holzlatten, durch deren Fugen beim Burgbrand die Feuersbrunst bedrohlich lodert und Rauchschwaden steigen, das Personal die im Untertitel von Kleists Schauspiel erwähnte "Feuerprobe" zu bestehen hat.

Romantische Liebe wider alle Vernunft

Nein, finster bleibt es auch metaphorisch gesprochen. Denn Bösch gelingt es nicht, die sonderbaren Vorfälle dieses aus disparatesten Versatzstücken gebauten Stücks, in welchem Kleist historische Zeiten aus vier Jahrhunderten beliebig durcheinander wirbelt und märchenhafte Elemente (die falsche Braut, Proben, Hexen, etc.) mit parapsychischen Phänomenen (Somnambulismus, Magnetismus) verschmilzt, zu erhellen. Dass sich der gewohnt unbekümmerte Regisseur durch die mannigfaltigen Verflechtungen nicht zu einer gewagteren Deutung hat herausfordern lassen, kann ihm aber nicht so ohne Weiteres zum Vorwurf gereichen, denn das Stück in dem die Asymmetrien der Geschlechter, unerklärliche Anziehung, Trug und Schein, der Zufall und die Plötzlichkeit des Verliebtseins, die Frage nach der Eindeutigkeit romantischer Liebe wider alle irdische Vernunft und ständische Ordnung das Zentrum bilden, lebt gerade von seiner in alle Richtungen paradoxen Form. So betrachtet, ist es nur zu verständlich, dass Bösch mehr als Deutung ganz offensichtlich die Lust Kleists "großes Ritterspiel" witzig und hübsch zu bebildern angetrieben hat. Und das gelingt ihm ganz gut. Bösch entwirft eine Comic-Welt aus Schwarz und Weiß, eine Welt der Kontraste, wo die Figuren immer wieder riesenhafte dunkle Schatten auf die Bühnenrückwand werfen.

Ungleiches und Gegensätzliches

Das ist am Anfang so, als Fabian Krüger als mehr genervter als geschmeichelter Graf Wetter vom Strahl vor dem "Vehmgericht" den Vorwurf zu entkräften hat, mit Zauberkraft auf die hier gar nicht so engelsreine fünfzehnjährige Waffenschmiedetochter aus Heilbronn (Sarah Viktoria Frick) eingewirkt zu haben, sodass diese ihm seither unbeirrbar, trotzig und mit schier unterwürfiger Ergebenheit hinterherläuft.

Und das ist auch in der berühmten Holunderbuschszene des vierten Aktes so, wo das so ungleiche Paar, der baumlange Kerl mit dem kleinen Mädchen ein groteskes Schattenbild abgeben. Nur die Gegenspielerin des Käthchens, Dörte Lyssewski als Kunigunde von Thurnek, die Frau aus Prothesen und Täuschungen, die aristokratische Intrigantin, eine Blenderin im Paillettenkleid, ist mit ihren langen roten Haaren und den knallbunten, mit Pillen angereicherten Cocktails, die ihr die Zofe zum Frühstück mixt, offenbar nicht von dieser Welt. Ein großartiges Bild gelingt Bösch auch in der Szene, in der der Ritter Kunigunde auf die Burg führt, dann regnet es weiße Daunenkissen vom Schnürboden herab, wenn die Burg später brennt, regnet es dagegen große pechschwarze Asche auf die Bühne.

Mitunter versucht Bösch das Stück als Komödie zu erzählen, etwa an der Stelle, wo Käthchen dem Wetter vom Strahl den Brief übergeben will, der vom Brandanschlag des generischen Clans warnt. Dabei bleibt der Brief wechselseitig an ihnen kleben und wird in immer kleinere Teile zerrissen, sodass der Sinn der Botschaft erst mühsam wieder zusammengesetzt werden muss. Auch so kann man gegenseitige Anziehung bildhaft erzählen. Auch Sarah Viktoria Frick in der Rolle der Titelheldin darf ihr komisches Talent bis nah an die Grenze zum Outrieren ausleben. Als sie wie eine Besessene Grimassen schneidend ausruft "Gott leitet mir die Hand", hält sie eine Bibel, die sie wie von Geisterhand durch die Szene bewegt.

Nur das Ende kommt gar plötzlich. Es wirkt beinahe so, als wären Bösch die Ideen ausgegangen und was vorher eher als Komödie erschien, kippt ins Gegenteil. Die Hochzeit ist wenig triumphal, die unbedingte Liebe von Käthchen zum Ritter stürzt jäh ins Unsichere, Offene. "Mir ist unwohl", sind die letzten Worte.

Das Käthchen von Heilbronn

Burgtheater

31. Jänner

4., 5., 12., 16., 17., 25. Februar

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