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Spaß am Spiel

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Mädchen, die Männerkleidung anlegen, werden in Shakespeares Lustspielen auch von den Nächsten nicht anerkannt. Das hinzunehmen, gar in heutiger Zeit, in der Frauen mit Vorliebe Hosen tragen, gelingt uns, wenn wir in ein Zauberreich entführt werden. Das ist nun vom Text her in dem Lustspiel „Wie es euch gefällt“, das derzeit im Theater in der Josefstadt gespielt wird, durchaus der Fall, wenn auch die Schlußwendung mit ihren krassen Änderungen zweier Charaktere völlig unglaubwürdig wirkt.

Der Ardennerwald verzaubert die Menschen, sie fühlen sich frei, kehren zum Naturgemäßen zurück, anmutiges Spiel begibt sich zwischen Orlando und Rosalinde, Liebe mit liebenswürdig mutwilligen Hindernissen, mit neckischem Spiel. Spürt man nun in der Aufführung unter der Regie des Schauspielers Klaus Maria Brandauer diese Verzauberung? Keineswegs. Den Wald zu ima-ginieren haben sich die Bühnenbildner Bernd Müller und Jörg Neumann erspart. Zugegeben, dies zu lösen ist schwierig. Daher bleibt die Bühne leer, seitlich gibt es einige weiße Vorhänge. Shakespeare-Bühne? Wir sind gegenüber der elisabe-thanischen Zeit optischer geworden, das Verbale genügt uns gerade hier nicht. Gewiß kann man gegebenenfalls auf leerer Bühne spielen, falls sie dann nicht leer wirkt. Hier ödet sie an, Zauber kommt nicht auf. Um so mehr, als die Lichtregie unbeholfen bleibt.

Brandauer scheint die reizenden Mädchen Rosalinde und Celia mit mittelalterlichen Badedimen zu verwechseln, Rosalinde wird in einem Badezuber von Celia gewaschen und, noch halbnackt, unterhalten sie sich mit dem Narren Probstein und dem Hofmann Le Beau. Später wälzen sie sich als — Lesbierinnen auf einem auf dem Boden bereiteten Bett und wieder kommen Mannsbilder dazu, dieser Hofmann, der Herzog. Sind das völlig abwegige Regieeinfälle übel modernster Art, so gelingt dagegen vorzüglich der Ringkampf Orlando gegen Charles, den Ringer, da geht es tatsächlich hart auf hart zu. Kraß vergröbert Brandauer die Schäferszenen, Phöbe und das Bauernmädchen Käthchen werden als Gestalten aus einem krachledernen Bauerntheater aufgefaßt. Das ist grundfalsch, hier handelt es sich nicht um einen knallenden Gegensatz zu den Hofleuten, sondern um eine Abwandlung ihrer Welt ins schäferlich Ländliche. Aber selbst der Versuch, durch einige Doppelbesetzungen die Wandlungsfähigkeit des Bösen zum Guten anzudeuten, schlägt nicht durch.

Sylvia Manas ist eine passable Rosalinde, bezwingend Ursprüngliches fehlt. Reizend wirkt die Celia der Marianne Nentwich. Heinz Ehrenfreund erweist sich als ein trefflicher Orlando. Seinen Bruder macht Peter Neusser soweit als möglich glaubhaft. Guido Wieland gibt dem bösen und dem guten Herzog unterschiedliches Profil. Mit kaltem Dozieren glaubt Harald Harth den philosophierenden Jacques zu charakterisieren; das ist zuwenig. Kurt Sowinetz bleibt als Probstein in der Sowinetz-Manier. Frank Dietrich wird als Ringer zu einer Schwankfigur. Elfriede Ramhapp als Phöbe, Hortense Raky als Käthchen übertreiben maßlos.

In den Kammerspielen wurde die vortreffliche Aufführung des Spiels „Olympia“ von Franz Molndr — Regie Peter Laos — aus dem Haupthaus des Theaters in der Josefstadt mit einigen Umbesetzungen übernommen. Die sehr gut aussehende Gabriete Jacoby ist nun die Titelgestalt, aber ihr Adelsdünkel wirkt übersteigert. Die Auftritte des Gendarmerieoberstleutnants werd en durch Felix Dworak zu Kabinettstücken der Komik, Nachteil, sie lösen sich aus dem Stückgefüge. Erna Korhel stichelt als Lona mit preten-tiöser Gelassenheit.

Die Stücke von Ödön von Horväth werden heute an allen deutschsprachigen Bühnen viel gespielt. Das war zu seinen Lebzeiten nicht so. Da muß sich ihm berechtigter Groll gebildet haben, denn in seiner Komödie „Himmelwärts“, die derzeit vom Volkstheater in den Wiener Außenbezirken aufgeführt wird, macht ein Vorstadtmädchen als Sängerin erst Weltkarriere als sie einen Pakt mit dem Teufel eingeht, verliert die Stimme aber sofort, als der Höllenfürst ihn zerreißt, damit er Anwartschaft auf den Himmel hat. Und der Intendant war, ehe er solch einen Pakt unterzeichnete, ein talentloser Statist. Also nur Teufelsmachenschaften bedingen beim Theater Erfolg. Doch so ganz ernst hat Horväth seine Verdächtigung offenbar nicht gemeint, daher wurde eine gewichtlose Komödie mit einem gütigen St. Petrus daraus, die das alles vorwiegend ins Spaßhafte wendet. Typischen Horväth spürt man gelegentlich, „Lilaom“-Anregungen mögen mitgewirkt haben, Naivität macht sich allzusehr geltend. Auf der Simultanbühne von Peter Manhardt — Himmel, Erde, Hölle — führt Karl Schuster das Spiel etwas zu schleppend. Renate Bernhard und Maria Urban, Erwin Strahl, Wolfgang Dauscha, Walter Benn und Hanns Krassnitzer spielen die Hauptrollen.

Die Jugendkriminalität steigt erschreckend, eine bestürzende Tatsache. In dem dreiteiligen Stück „Der Kinder Segen“ des Engländers Howard Brenton, das die „Werkstatt“ derzeit im Theater am Kärntnertor vorführt, wird im ersten Teil bei Kindern gezeigt, was für Grausamkeitsvorstellungen ihre Spiele wie selbstverständlich beherrschen, im dritten wohnen wir einer Geburt bei und sehen später den Sprößling seine Eltern im Meer ertränken, um frei zu sein. Da die mit Eifer spielenden Kinder von Erwachsenen dargestellt werden — es gab das schon bei Thornton Wilder — dient dies alles vorwiegend unterhaltlicher szenischer Entfaltung. Das Bittere wird dadurch verdrängt. Im zweiten Teil steht eine Braut zwischen dem Mann, der nur Körper und dem anderen, der nur Gehirn ist. Als sie ihre Köpfe tauschen, werden das erst recht Monstren. Das ist Kabarett. Unter der Regie von Hans Gratzer erweisen Johanna Tomek, Hans Henning Heers und Hannes Pump viel Spaß am Spiel.

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