Der Großmeister der Arte povera

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Die Innsbrucker Galerie Thoman zeigt zum ersten Mal in Österreich Werke des international umtriebigen Künstlers Jannis Kounellis. Seiner Kunst haftet das Flair des Archaischen, in einem überkonfessionellen Sinn Kultischen, die Grundfragen des Menschseins Berührenden an.

Jannis Kounellis ist einer der Großmeister der Arte povera, der „armen“ Kunst. Und so sind seit den sechziger Jahren an sich kunstfremde, aber emotional besetzte Materialien wie Eisen, Jute, Baumwolle, Kohle, Holz und Glas auch die, aus denen der in Rom lebende Grieche bevorzugt seine Arbeiten macht. Bereits 2003 hatte der inzwischen 73-Jährige im Innsbrucker Kunstraum eine Personale. Eine harte Ausstellung, wie sie zu einem harten Land, wie Tirol eines sei, passe, so Kounellis angesichts der schwierigen finanziellen Situation des Kunstraums damals, die heute allerdings um nichts besser ist. Hart war die Schau zwar nicht, aber heftig, und das kann man auch von jenen Arbeiten sagen, die der Künstler derzeit in der Innsbrucker Galerie Thoman zeigt.

Spiel mit Gegensätzen

Hausherrin Elisabeth Thoman hat sich für die Schau – die erste des international umtriebigen Kounellis in einer österreichischen Galerie – jene fabelhafte Installation aus Leintüchern, Kohlesäcken und Stahlträgern gewünscht, die im Zentrum der großen Kounellis-Personale bereits 2007 im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz zu sehen war: Vom Künstler exakt vor Ort choreografiert, als spannendes Spiel mit weichen und harten Materialien, mit Schwerem und Leichtem, mit Statik und Dynamik in den von ihm bevorzugten Farben Weiß und Schwarz – letztlich als raffiniert irritierender Jongleurakt mit Emotionen und Assoziationen, die allerdings ganz bewusst der Rezeption durch den Betrachter überlassen bleiben. Denn Kounellis versteht sich nicht als Erzähler realer Geschichten – und schon gar nicht seiner eigenen –, sondern als Spieler mit Metaphern und archaischen Symbolen, die mit den großen sozialen und intellektuellen Herausforderungen der Welt von heute zu tun haben. Und so hängt Kounellis in der lichtdurchfluteten Galerie Thoman weiße Stoffe in der Dimension überdimensionaler Leintücher über „Leinen“ aus Metall, während am Boden darunter über mit Kohle gefüllte Jutesäcke rostige Schienen gelegt sind. Kounellis erklärt diese raumfüllende Installation nicht. Nur so viel: Die Schienen seien für ihn so etwas wie Messer, die allerdings die „Haut“ der Jutesäcke nicht durchschneiden könnten. Letztlich verweist der Künstler den Fragesteller aber auf sich selbst, ermutigt ihn, sich auf die präsentierte visuelle Wucht ein-, eigene Bilder zuzulassen.

Kounellis baut in seine Arbeiten auch gerne Fundstücke ein, Dinge, an denen der Zahn der Zeit unübersehbar genagt hat, die eine pittoreske Patina angesetzt, eine lange Geschichte haben. Alte Tische sind es, um die der Künstler 2007 den Zyklus „Catrame“ konzipiert hat. Basis jedes dieser surreal-dreidimensionalen „Gemälde“ ist eine Eisenplatte in der Größe eines Doppelbettes – ist die Beibehaltung der menschlichen Dimension für den Künstler doch von eminenter Bedeutung, selbst wenn diese in der von ihm vorgetragenen Vehemenz oft als erschlagend übermächtig empfunden wird. Bisweilen sind die wuchtigen Eisenplatten mit Leinwänden überzogen, in den meisten Fällen allerdings werden die Platten der Tische durch grundierte Leinwände ersetzt. Diese will Kounellis als „Deckel für Gefäße“ verstanden wissen und die Tische als Metaphern für das tägliche Leben. Die Beine dieser Tische sind teilweise amputiert, um in der Abfolge der in einer Reihe präsentierten Arbeiten einen eigenartig berührenden, skurrilen Totentanz vorzuführen.

Auch diese Arbeiten entziehen sich jeglicher exakten Deutung. Gewohnte Ordnungen werden in Frage gestellt, Bedeutungen verrückt, das im kollektiven Unbewussten schlummernde Wissen wird angebohrt. Wie es sich für einen gehört, der zwei der ganz Großen als seine Vorbilder nennt: Caravaggio und den Konzeptkünstler Lucio Fontana.

Der Kunst von Jannis Kounellis haftet das Flair des Archaischen, in einem überkonfessionellen Sinn Kultischen, die Grundfragen des Menschseins Berührenden an, weshalb der überzeugte Atheist immer wieder zu monumentalen Installationen in Sakralräumen eingeladen wird. Und so ist er auch als einer der Künstler im Gespräch, die im Pavillon des Vatikan, den dieser 2011 erstmals bei der venezianischen Biennale haben wird, religiöse Kunst auf höchstem Niveau und in einem sehr heutigen Sinn zur Diskussion stellen sollen.

Jannis Kounellis

Galerie Thoman, M.-Theresienstr. 34, 6020 Innsbruck

bis 26. September, Di–Fr 12–18, Sa 10–17 Uhr

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