Der höfliche Kämpfer

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Die Nationalbibliothek erinnert an György Sebestyen.

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Die Nationalbibliothek erinnert an György Sebestyen.

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Ein Riß ging durch die Literatenwelt. "Ein Kleinkrieg, voll niedriger Manöver, voller Heuchelei und Hinterlist hebt an", schrieb Hilde Spiel in ihren Erinnerungen zu den Ereignissen im Österreichischen P.E.N.-Club nach der Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Heinrich Böll im Herbst 1972. Sie bewarb sich um die Präsidentschaft, nachdem Alexander Lernet-Holenia zurückgetreten war. Einer ihrer Gegner - ein 42jähriger Emigrant aus Ungarn: György Sebestyen.

Dieses für die österreichische Literaturgeschichte nach 1945 heikle Kapitel nicht ausgespart zu haben, ist eines der Verdienste der Ausstellung zu "György Sebestyen - der donauländische Kentaur", die Ingrid Schramm und Anna Sebestyen im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek ausgerichtet haben. Der Wahl Ernst Schönwieses zum P.E.N.-Präsidenten folgte mit der Gründung der Grazer Autorenversammlung die bis heute wirksame Spaltung der heimischen Literaturszene. Sie war auch für Sebestyen persönlich eine Zäsur.

Nach einer intensiven Beschäftigung mit der Literarizität der deutschen Sprache in den sechziger Jahren setzte eine rege kulturpolitische Tätigkeit ein. Noch 1972 gründete er die Zeitschrift Pannonia, die zum Trägermedium der "Mitteleuropa-Idee" wurde. 1976 initiierte er den "Morgenkreis", aus dem schon bald die Idee einer eigenen Hauptstadt für Niederösterreich entsprang. Im selben Jahr stieß er auch zu der eine Krise bewältigenden Furche und begleitete die Wochenzeitung bis zu seinem Tod im Juni 1990.

Sebestyen war eine prägende Gestalt der österreichischen Kulturpolitik der siebziger und achtziger Jahre. Die Mittel zur Durchsetzung seiner kulturpolitischen Vorstellungen waren eine entwaffnende Höflichkeit gepaart mit einer an Cato erinnernden Beharrlichkeit. Es ist bedauerlich, daß es auf Grund von Erbschaftsstreitigkeiten zehn Jahre gedauert hat, bis man darangehen konnte, sein literarisches und feuilletonistisches Werk aufzuarbeiten. Die bis zum 11. März zu besichtigende Ausstellung ist ein erster gelungener Schritt dazu.

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