Der Menschenfresser als Bärengourmet

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Offenbachs „Häuptling Abendwind oder das gräuliche Festmahl“ an der Wiener Volksoper: Regisseur Robert Meyer sorgt für eine kurzweilige Revue. Bettina Gradinger, die Konzertmeisterin des Hauses, sorgt mit ihrem Orchester für nie erlahmenden musikalischen Schwung.

Die Wiener Kammeroper hat die diesjährige Saison mit zwei Offenbach-Einaktern, „L’île de Tulipatan“ und „Ba-ta-clan“, eröffnet. Auf Jacques Offenbach ist auch die Volksoper bei der Suche nach einem klein besetzten Stück gestoßen. Gespielt wird, wie meist bei Offenbach, nicht das Original, sondern eine Bearbeitung. Diesmal vom – auch das Keyboard bedienenden – Dirigenten dieser knapp eineinhalbstündigen Produktion, Béla Fischer. „Häuptling Abendwind oder das gräuliche Festmahl“ ist der Titel der nach einem Text von Johann Nestroy komponierten einaktigen Operette.

Der Inhalt ist rasch erzählt: Biberhahn der Heftige, Häuptling der Papatutu, begibt sich auf Staats- und Werbebesuch zu Abendwind dem Sanften, dem Häuptling der Groß-Lulu. Verbunden sind sie nicht zuletzt durch eine grausliche Gemeinsamkeit: Jeder hat einst die Frau des anderen verspeist. Schon steht ein weiteres Menschenopfer bereit. Weil sämtliche Speisekammern leer sind, befiehlt Abendwind, einen gerade auf der Insel angekommen Friseur für das Festmahl zu Ehren seines Häuptlingskollegen zu schlachten. Dem betont gestelzt herumsteigenden Friseur Arthur gelingt es, Hu-Go, den Koch, zu überzeugen, statt seiner den Bären zu schlachten. Eine weise Entscheidung.

Stellt sich doch nach den üblichen Wirrnissen heraus, dass der Friseur in Wahrheit Biberhahns Sohn ist, der längst in Liebe zu Abendwinds Tochter Atala entbrannt ist. Wegen dieser Verbindung hat Biberhahn auch den Weg in Abendwinds Kannibalenreich angetreten. Nicht wissend, hier auch auf seinen Sohn zu stoßen.

Ein rasches Happy End

So hat alles ein rasches Happy End. Und eine pädagogische Pointe: Denn Abendwind verspricht, künftig keine Menschen mehr zu verspeisen, dafür seine Ernährung auf Bärenfleisch umzustellen. Schließlich ist dieser Offenbach auch eine zuweilen bitterböse ironische Parabel auf die Zivilisation mit einem Seitenhieb auf das (schon damals!) national denkende Österreich.

Darauf zielt auch die den Turbulenzen des Sujets selbstverständlich gerecht werdende Regie von Robert Meyer, der mit Biberhahn künftig eine Paraderolle mehr in seinem Repertoire hat. Auch die übrigen Protagonisten wissen, wie man den hier auf die Bühne gestellten skurrilen Personen publikumswirksam gerecht wird: Carlo Hartmann gibt mit doppelbödigem Witz den Abendwind, Elisabeth Schwarz mit naivem Witz seine bagschierliche Tochter Atala. Christian Drescher ist ganz so, wie man sich einen Promi-Friseur vorstellt. Heinz Zuber zieht alle Register seines virtuosen Komödiantentums. Und die von Bettina Gradinger, der Konzertmeisterin des Volksopernorchesters, angeführte kleine, auf der Bühne platzierte, exzellente Musikergruppe, sorgt für nie erlahmenden musikantischen Schwung.

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