Der richtige Spruch zur richtigen Zeit

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In rund siebzig Gedichten erkundet Elisabeth Steinkellner nicht mehr und nicht weniger als das Ich und Du einer kindlichen Alltagswelt. Der Klang der Wörter und der Sprache, den sie dabei anschlägt, ist zugleich zeitgemäß modern und wohltuend zeitlos. Geschickt variiert die Autorin, die schon in früheren Büchern wie "Die Nacht der Falter und ich" oder "Die Kürbiskatze kocht Kirschkompott" ihr Gespür für die kleine Form bewiesen hat, immer wieder Rhythmus und Melodie, wechselt spielerisch leicht zwischen ruhigem Wiegeschritt und ausgelassenem Tanzschritt, zwischen Sinngedicht und Nonsens. Und je mehr man davon liest, umso mehr ist man beglückt und merkt, wie sehr man solche Lyrik, die bescheiden als Reim und Sprachspiel daherkommt, nötig hat. Bietet sie doch unter anderem auch den richtigen Spruch zur richtigen Zeit. Wenn etwa die Oma und der Papa einem Löcher in den Bauch fragen, was man denn einmal werden will, und sich stellvertretend schon eine Bäckerlehre oder Arztkarriere erträumen, dann kann man sich zurücklehnen und gelassen entgegnen: "Jetzt werd' ich erst mal zehn!" Man kann sich eine Zukunft ausmalen, die statt beharrlichem Selbst-Optimieren und Konkurrieren sich zunächst einmal die Freiheit nimmt fürs Nachdenken und Sinnieren, fürs Dösen und Schaukeln, fürs Nichtstun und "nur da sein".

Wortkulissen und visuelle Poesie

Schauplatzmäßig erkundet Steinkellner zunächst - wie sich das für die literarische Tradition des Flanierens gehört - den urbanen Raum. "Stadt" heißt dementsprechend das allererste Gedicht, das Zeile für Zeile nur ein Wort parat hält, mit seiner anwachsenden Wörterliste ("Straßen /Häuser /Autos /Ampeln ...") eine Kulisse baut und den Blick sodann geschickt durch die Häuserschluchten und zuletzt nach oben lenkt: "... ein Fenster /Licht /dahinter: du." Diesem Du folgt man alsbald an den Würstelstand, ins Freibad und zum Zahnarzt, mit Bahn und Bus bis ans Meer und ganz weltspaziererisch an geheimnisvoll fremd klingende Orte wie Kathmandu und Brazzaville. Formal bietet Steinkellner dabei erfreulich überraschende Varianten für klassische Sprachspielereien samt Reverenzen und Huldigungen an einschlägige Vorgänger und Vorgängerinnen: ABC-Gedichte und Auszählreime, Limericks, in denen sich "Kreta" auf "spät da" und "Meter" reimt, visuelle Poesie, die auch ein Gerhard Rühm zu schätzen wüsste, und Lyrik, die sich frei nach Ernst Jandls berühmtem "ottos mops" in vokaler Selbstbeschränkung übt. Da rockt Ottos Bock, da tritt Miss Mississippi im Bikini ins Licht, und wenn "Jans Hand nah an Annas Arm" ist, kommt es leider nicht zum Kuss, sondern bloß zur verschämten Frage "Magst ... ähm ... Pasta?"

Alles in allem ein großer Spaß, den Michael Roher, Steinkellners Ehemann und kongenialer Künstlerkollege, überzeugend mit atmosphärischen Bildern bereichert. Der Verlag preist den Band als "neue Sternstunde der österreichischen Kinderlyrik". Das klingt dreist. Stimmt aber.

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