Der Tiger und die Gottesfrage

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Ang Lee schafft mit "Life of Pi“ die zweite unverfilmbare Romanverfilmung des Jahres. Neben der prallen Geschichte setzt der Film auch neue technische Maßstäbe.

Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen kommt eine als unverfilmbar bezeichnete Romanverfilmung ins Kino. Und zum zweiten Mal macht sich ein Meister des Fachs ans unmögliche Unterfangen heran. Während beim ersten Versuch, "Cloud Atlas“, einer Kooperation der Geschwister Wachowski mit Tom Tykwer (FURCHE 46), die Kritiken mehr als durchwachsen waren, so dürfte Tausendsassa Ang Lee mit "Life of Pi“ wesentlich besser abschneiden. Dem Kritikerurteil mag man sich anschließen. denn Lee beweist einmal mehr, dass er imstande ist, Unmögliches zu erledigen. Und er schreibt gleichzeitig Filmgeschichte - denn die Darstellung dieser Geschichte verlangte nichts weniger als cinematografische Genialität. Und die steuert Lee zweifellos bei.

Auch "Life of Pi“ stellt eine Bestellerverfilmung dar, sieben Millionen Mal soll Yann Martels gleichnamiger Roman (dessen deutscher Titel "Schiffbruch mit Tiger“ vom hiesigen Verleih dem Opus als Untertitel beigegeben wird) über die Ladentische gewandert sein. Der kanadische Autor erzählt darin die abenteuerliche Geschichte des indischen Burschen Pi, der monatelang mit einem Tiger in einem Boot gen Mexiko treibt.

Pi wächst in Südostindien mit seiner Familie auf, wo seine Eltern einen Zoo betreiben. Weil sie sich wirtschaftlich nicht halten können, verschifft die Familie ihre Tiere gen Amerika. Doch über dem Marianengraben kommt es zum Showdown: Das Schiff geht in einem schweren Sturm unter, nur der 17-jährige Pi und der Tiger namens Richard Parker finden sich in einem Rettungsboot wieder. Pi muss nun auf zweifache Weise ums Überleben kämpfen: Zum einen hat er auf dieser Reise zu schauen, wie er genügend Nahrung und Flüssigkeit zusammenbringt, sodass er nicht stirbt, zum anderen muss er dafür sorgen, dass ihn der Tiger nicht frühstückt.

Alles für Transzendenzhungrige

Der Film räumt - wie das Buch - keineswegs die Zweifel aus, ob sich das Dargestellte in der Fantasie des jungen Mannes oder in Wirklichkeit so abgespielt hat. Das ist schon einer der Reize, die dem Opus innewohnen. Man beteiligt sich auch als Zuschauer jedenfalls fasziniert am Überlebenskampf des Pi und staunt, als welch Illusionist sich Ang Lee hier entpuppt. Und nicht nur durch die Rahmenhandlung kommt auch die Gottesfrage ins Spiel, die zwar unaufdringlich, aber klar die Folie des Erzählten abgibt. Die Unentschiedenheit zwischen Sein und Schein zeigt auch, wie schillernd die Einbettung dieses Themas in eine pralle Geschichte sein kann.

Die geglückte Erzählung, die Ang Lee auch in den Film retten kann, ist das eine. Die technische Umsetzung das andre, das sich als mindestens so spektakulär entpuppt. Schon die Eingangssequenz, wenn die Tiere des Zoos in 3D-Manier durch den Kinosaal hetzen, ist allergrößtes Spezieleffekte-Kino. Dass aber dann der Tiger auf dem Boot eine Imagination durch Computeranimation darstellt, zeigt, wie weit die Filmtechnik heute schon sein kann. Dazu kommt die erstaunliche Darstellung des 17-jährigen Pi durch den gleichaltrigen Newcomer Suraj Sharma, der eine unfassbar reife Schauspielleistung an den Tag legt.

Alles, mit dem ein Transzendenzhungriger behelligt werden will, findet sich in dieser Verfilmung. Sogar die Ahnung, dass es sich vielleicht um nichts als Illusion handelt, kann in die Gottessuchfrage mitgenommen werden. Dass "Life of Pi“ zu Weihnachten anläuft, ist da nur mehr als konsequent.

Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger

USA 2012. Regie Ang Lee. Mit Suraj Sharma, Irrfan Khan, Tabu, Rafe Spall, Gérard Depardieu. Centfox. 126 Min. Ab 26.12.

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