Die auferstandene Sidonie

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Uraufführung des Stücks von Christian Martin Fuchs am Salzburger Schauspielhaus.

Im Jahr 1943 hatte der "Auschwitzerlass" Heinrich Himmlers die Einweisung aller Roma in Konzentrationslager zu Folge. Etwa 2760 österreichische Roma wurden dorthin verschleppt. Darunter auch Sidonie Adlersberg. Erich Hackl hat in dem Roman "Abschied von Sidonie" (1989) ihr zehnjähriges Leben geschildert. Der österreichische Autor Christian Martin Fuchs nahm diesen Roman als Vorlage für sein Stück "Sidonie", das nun am Salzburger Schauspielhaus in Zusammenarbeit mit dem Stadttheater Bruneck in der überzeugenden Regie von Claus Tröger seine Uraufführung hatte.

Fuchs lässt nach 70 Jahren Sidonie von den Toten auferstehen und mit Jugendlichen von heute ihr Leben nachspielen. Thema in diesem auf kurze Szenen angelegten Stück sind all jene Urteile und Vorurteile, die man längst für überwunden hält: "Man muss auch einmal einen Schlussstrich unter das Geschehene setzen", meinen die Jugendlichen. Und dann kommt alles wieder hoch, was sich im Zusammenhang mit Rassismus an Krudem und Gefährlichem angesammelt hat. Da ist die liebevolle Aufnahme der kleinen ausgesetzten Sidonie bei ihren Zieheltern; aber dann kommen schon die Vorurteile der Kinder und Nachbarn gegen das dunkelhäutige Kind; die Feigheit der Leiterin des Jugendamts, die Angst und die Brutalität, schließlich die Deportation von Kindern.

Klaus Gasperi sperrt die Menschen in einen Maschengitterkäfig, wo sie die gleichen Verhaltensmuster zeigen wie ehedem ihre Vorfahren; der Lernprozess aus der Geschichte zeigt eher dürftige Fortschritte. Brauner Sumpf brodelt noch immer. Die jungen Schauspielschüler aus Salzburg und Bruneck hoffen nicht zu Unrecht auf junges Publikum, das die Zeitgeschichte kennt.

Chronik des Widerstands

In den oft sehr knappen, packenden Szenen finden sich auch in der Gegenwart wieder Ansätze zu Vorurteilen und Barbarei. Christian M. Fuchs selbst sagt dazu, "... der einzige Glaube in dieser säkularen Kapelle, wo sich die Passion vergegenwärtigt, ist jene bittere Überzeugung, dass wir die Barbaren und ihre Mitläufer bekämpfen müssen, lebenslang."

Bemüht um die Figuren dieses Lehrstücks, verstanden als "Chronik des Widerstandes gegen Inhumanität, vom Ständestaat bis hin zu den Neonazis", sind Christine Lasta als Sidonie, Ogün Derendeli, Christina Blumencron, Hannes Holzer, Philip Leenders, Ursula Elzenbaumer und Brigitte Knapp. Der Premierenapplaus bestätigte nicht nur die jungen Leute auf der Bühne, sondern auch den Autor, der den Kultroman aus der Lektüre in die lebendige Kommunikation mit dem anwesenden Publikum transportiert hat.

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