Die Diktatur der Gutmenschen

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Die Gutmenschen sind eine Minderheit und benehmen sich, als ob sie die Majorität wären, und es darf nicht sein, was die Gutmenschen nicht erlauben.

Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Bekannte Worte, nicht wahr? Lk 10:30, um es zu präzisieren. Erst vor nicht allzu langer Zeit war es im Sonntagsevangelium zu hören: das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Er ist zufällig vorbeigekommen, nachdem ein Priester und ein Levit das Opfer nicht beachtet hatten, und half diesem. Er war ein guter Mensch. Wäre er ein Gutmensch gewesen, hätte er die Hände gerungen, nach Hilfe gerufen und den Prokurator um Milde für die Räuber gebeten, falls man ihrer habhaft würde.

Demagogisch, gewiss. Journalis-tisch übertrieben. Allein, am erwähnten Gleichnis lässt sich, meine ich, der Unterschied zwischen den beiden Begriffen, die einander so ähnlich zu sein scheinen, recht deutlich erläutern. Gut gemeint, heißt es, sei das Gegeteil von gut. Der Gutmensch meint es gut. Er neigt dazu, alle jene, die nicht dieser seiner Meinung sind - und mögen sie auch gute Menschen sein -, zu kritisieren und allzu oft zu verdammen. In der Demokratie ist er Diktator. Der Diktatur der Gutmenschen wagen sich nicht viele zu widersetzen. Sie fürchten, ins falsche Eck gerückt - besser: gedrückt - zu werden.

Die Gutmenschen sind eine Minderheit und benehmen sich, als ob sie die Majorität wären. Lauthals und, wie man heutzutage sagt "vollmundig", nützen sie die Medien, um für ihre Ziele zu werben, die nichts mit Fakten, aber umso mehr mit leicht platzenden ideologischen Luftblasen zu tun haben. Gutmenschen nehmen nicht zur Kenntnis, was ist, sondern nur, was sein sollte - ihrer Auffassung nach. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Es darf nicht sein, was die Gutmenschen nicht erlauben. Als ein Bombenanschlag bei Oberwart das Leben von vier Roma forderte, wussten sie Bescheid, wer die Mörder waren. Die Theorie vom Einzeltäter lehnten sie ab, bis das Gegenteil bewiesen war. Vielleicht waren sie dann traurig.

Gutmenschen würden alles geben, um endlich zu erreichen, dass sie in einer multikulturellen Gesellschaft leben können. Wenn ihnen ein farbiger Schwiegersohn ins Haus gebracht wird, werden sie trotzdem von Unbehagen erfasst. Gutmenschen wollen Tür und Tor und vor allem auch die Grenzen öffnen - lasst alle herein, die mühselig und beladen sind, denn es gibt kein böseres Wort als das vom Wirtschaftsflüchtling, der nur mehr verdienen will. Allein, ich kenne keinen Gutmenschen, der seine Wohnung mit Flüchtlingen teilt. Gibt es zu wenig gute Menschen?

Gutmenschen drücken gerne die Augen zu, aber nur dann, wenn es sich um Täter handelt. Law and order ist für sie ein Teufelsbegriff, weil sie nicht wissen, dass kein Staat ohne Gesetz und Ordnung existieren kann. Folgerichtig stehen sie zumeist nicht auf Seiten jener, die das Gesetz vertreten und die Demokratie verteidigen, die ohne Gesetze nicht auskommt. Im Zweifel ist der Bulle schuld und gehört zumindest vor eine Untersuchungskommission. Legalität ist, was der Gutmensch dafür hält.

Gutmenschen verstehen es, überzeugend zu reden und zu schreiben, und kaum jemand wagt es, gegen jenen Mainstream zu schwimmen, aufdem sie zu segeln glauben, weil sie meinen, dass der Wind des Zeitgeistes ihre Segel bläht. Die "political correctness" geht ihnen über alles, und sie wissen nicht, dass diese mit Korrektheit nichts zu tun hat. So wenig wie der Gutmensch mit Güte. Es sollte mehr gute Menschen geben. Gutmenschen haben wir genug.

Der Autor

war lange Chefredakteur und Herausgeber der "Presse".

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