Die Gespenster von Bly

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Benjamin Brittens Kammeroper "The Turn of the Screw" am Salzburger Landestheater

Die Erzählung von Henry James gilt als Meilenstein in der Horrorliteratur, die Oper "The Turn of the Screw" nach dieser Vorlage von Benjamin Britten geriet am Salzburger Landestheater zu einer mehr als respektablen Aufführung. Solch ein Glücksfall hat mehrere Ursachen, wobei entscheidend die englische Crew mit dem Leiter des Mozarteum Orchesters, Ivor Bolton, dem Regisseur Aidan Lang und dem Ausstatter Jason Southgate diese in sich stimmige Produktion verantwortet.

Die Erzählung von Henry James (1843-1916), die Myfanwy Piper als Vorlage für das Libretto diente, spielt in der scheinbaren Idylle eines alten Landsitzes. Eine junge Gouvernante soll sich auf Bly im Auftrag des Vormunds um einen Buben und ein Mädchen, Miles und Flora, kümmern. Es stellt sich heraus, dass die beiden Kinder ein Geheimnis umgibt. Die Governess sieht eines Tages einen fremden Mann auf dem Turm von Bly und erfährt von der Hausdame Grose, dass dies nur Peter Quint sein könne, ein ehemaliger Kammerdiener, der aber schon seit einigen Jahren tot ist und eine eigenartige Freundschaft zu Miles unterhielt. Flora wird ebenfalls von einer Toten, der früheren Erzieherin Jessel, aufgesucht. Die neue Governess sieht sich also auf einmal in eine unheilvoll dräuende Auseinandersetzung hineingezogen, die mit dem Tod von Miles endet.

Nun ist der Interpretation Tür und Tor geöffnet: Ist alles nur Einbildung und Phantasie des Kindermädchens, sexuell gefärbte Hysterie im Verständnis Sigmund Freuds? Wird sie, die ursprünglich Bedrängte, zur Bedrängerin in dem Versuch, die Kinder auf ihre Seite zu ziehen? Das Irrationale, oft Irrwitzige macht alle Interpretationen möglich. Ebenso hält die berückende, verführerische Musik Brittens alle Deutungen zwischen Harmonie und Horror offen, die Schraube der Töne dreht sich nach links und nach rechts.

Entscheidenden Anteil am Erfolg der 1954 im La Fenice uraufgeführten Oper hatten bei der Salzburger Premiere Emma Gane (Governess), Timothy Robinson (Quint), Nina Berten (Jessel), Erin McMahon (Flora), Susannah Self (Mrs. Grose) und der Florianer Sängerknabe Markus Stumpner, der mit seinen 14 Jahren den schwierigen Part des Miles glänzend meisterte.

Für die schicksalhafte Ausweglosigkeit aus Raum und Zeit und als Symbol für das klaustrophob gefärbte Unbewusste und Unterbewusste hat Southgate eine große Wendeltreppe in die Szene gestellt, die nirgendwo hinführt, den Gespenstern als Leiter dient und ständig als Schraube einmal nach links und dann wieder nach rechts gedreht wird. Der Deutungen und Deuteleien ist keine Ende. Aber man hat einen aufregenden musikalischen Abend gehört und gesehen.

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