Die Schatten des Holocaust

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Dialog der Kinder von Tätern und Opfern am Wiener Schauspielhaus.

Reden wir nicht mehr darüber", war die Standardfloskel im Österreich der Nachkriegszeit. Ehemalige Nazis sahen ihr Gedankengut geduldet, die Opfer hatten noch nicht die Kraft, das Unfassbare in Worte zu fassen oder fanden keine Zuhörer. Wie wenig sich Geschichte und im engeren Sinne Familiengeschichte tatsächlich verdrängen lässt, kann man zur Zeit im Wiener Schauspielhaus erkennen.

Die deutsche Autorin und Regisseurin Eva Diamantstein hat sich zwei Jahre lang mit der Rolle von Frauen als Täterinnen in der NS-Zeit beschäftigt und ist mit einem ungewöhnlichen Theaterprojekt zu Gast. "Nachtmahl" nennt sich der gemütliche, gruselige Gespensterabend zu dem vier Damen laden. Sie gedenken ihres Ruderclubs und erzählen kleine Anekdoten aus der Vergangenheit. Was zunächst so unschuldig anheimelnd daherkommt, beginnt bald zu miefen. Immer unverblümter offenbart sich, wessen Geistes Kinder die Gastgeberinnen sind. Empfehlenswert.

Ergänzend dazu fand am Sonntag eine Matinee statt in der sich der amerikanische Historiker Abraham Peck und der Autor, Regisseur und Wissenschaftler Gottfried Wagner der Frage annahmen: Wie leben die Kinder, die Enkel mit dem furchtbaren Erbe? Die beiden gründeten 1992 eine Post-Holocaust-Dialog-Gruppe und sagen seitdem: "Ein Gespräch ist möglich." Es waren sehr persönliche Erfahrungen, die zur Sprache kamen. Zwei Biographien, zwei Familiengeschichten die unterschiedlicher nicht sein könnten: Peck, Sohn Holocaust-Überlebender wurde in einem "DP (Displaced Persons)-Lager in Landsberg geboren, jenem Ort wo Adolf Hitler 1924 "Mein Kampf" schrieb. Winifred Wagner, die Großmutter Gottfried Wagners brachte ihm das Papier ins Gefängnis.

Familiengeschichten sind nicht nur ein Problem für Kinder aus Täterfamilien, weiß Peck: "Kinder Überlebender wuchsen im Auge eines Taifuns auf. Umgeben von den Schatten des Holocaust. Viele fragen nie. Diese Kinder, oft schon Erwachsene, fürchten noch das Trauma, das sich in den Antworten ihrer Eltern offenbart." Die Zukunft liegt, so das Resümee von Stück und Abend, nicht im Vergessen sondern dem Dialog.

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