Die Sparkasse als Tabernakel

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Das Ensemble Theater am Wiener Petersplatz zeigt „Eskalation ordinär“ – eines der letzten Stücke des 1994 im Alter von knapp 36 Jahren verstorbenen steirischen Theaterberserkers Werner Schwab. Eine kühne Antizipation der gegenwärtigen globalen Krise, die von Regie und Schauspielern beklemmend umgesetzt wird.

Zutiefst beunruhigend ist die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aktualität, die plötzlich Werner Schwabs Stück „Eskalation ordinär“ (1993) erfährt. Der 1994 jung verstorbene Schwab antizipierte mit seinem Text jene Krise, die sich nun als Konsequenz eines maßlosen Gewinnstrebens und der Definition des Menschen als Humankapital zeigt. „Ordinär“ ist bei ihm der Totalverlust sämtlicher moralischer Werte, ordinär ist aber auch die radikale Sprache, die alles an die Oberfläche bringt, was weder als schön oder gar appetitlich gilt.

An der Figur des Helmut Brennwert (sic!) wird die systematische Entwertung eines Menschen in sieben Szenen aufgerollt.

Schwab verbindet hier katholische Demutsrituale mit kapitalistischer Götzenverehrung, nationalsozialistische Parolen mit den klassischen Werbesujets der Hochglanzillustrierten.

Geld, Sex, Leberkäse

In der radikalen Sprache des steirischen Dramatikers verfügen die Figuren über kein „Ich“, weil sie nur Ressource geworden sind, sondern es sprechen abstrakte Begriffe der Macht – „ein Geld“ oder „ein möglicher Geschlechtsverkehr“ oder gar „eine Leberkäsesemmel“, die zu den erstrebenswerten Zielen von Schwabs schonungslos dargestellten Kleinbürgern zählen.

In scheinbar hilflos gewählten und neu kreierten Wortbildungen entlarven seine Figuren ihre brutalen Absichten in pseudoschönen Worten. Aus dieser Diskrepanz zwischen verkrampft-feiner Wortwahl und entsprechend dahinterstehenden unfeinen Absichten entsteht die typische „Schwabische Komik“. Oder vielmehr die Tragikomik des in der Tradition des Wiener Volkstheaters Stehenden.

In diese Linie kann man auch die sprechenden Namen einreihen: Helmut Brennwert (Helmut Schuster), der in diesen „sieben Affekten“ aus der Arbeitslosigkeit in ein Angestelltenverhältnis beim „Tabernakel der Gesellschaft“, der Sparkasse, zu gelangen sucht, tritt seinen totalen Abstieg an. Zuerst ist der Job weg, dann die Freundin (Ildiko Babos), die Wohnung, die Würde und am Schluss die Hoffnung.

Schwabs Welthandbremse

Volkswirtschaftlich brennt sein Wert nicht mehr. Schwab nimmt sich selbst beim Wort: Am Ende begießt sich Brennwert mit Hochgeistigem, und das letzte, das brennt, ist der Mensch selbst …

Seine Antagonisten sind der in jeder Gesellschaft auffindbare Aufhetzer und Vernaderer Nieroster (Clemens Matzka) sowie der Aufschneider, Profiteur der Verhältnisse und leitende Sparkassenangestellte (Oliver Baier). Da möchte man meinen, dass ein die Mindestrente beziehendes Paar (Hubert Tscheppe, Gabriela Schmoll) sich mit dem sozial Schwachen solidarisiert: Doch nein, der Elende muss aus dem Blickfeld geräumt, degradiert und ausgestoßen werden.

Regisseur Peter Gruber nimmt Schwabs Sprache wörtlich: realistisch inszeniert er Gewalt und sexuellen Missbrauch.

In diesen Zeiten gehört die Schwab’sche Welthandbremse fest angezogen: „Es ist nämlich alles egal, und doch nicht egalitär.“

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