Die Unerbittlichkeit irischer Verhältnisse

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"Jimmy's Hall": Ken Loach bestechende Widerstandserzählung gegen katholische Kirche und Politik im Irland der 1930er Jahre.

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"Jimmy's Hall": Ken Loach bestechende Widerstandserzählung gegen katholische Kirche und Politik im Irland der 1930er Jahre.

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Mit "letzten" Filmen ist es so eine Sache: Ob sich mehr dahinter verbirgt als die PR-Masche, um ein aktuelles Opus zu promoten, erweist sich erst viel später. Das konnte man sich schon beim kürzlich angelaufenen "letzten" Film des japanischen Zeichentrick-Meisters Hayao Miyazaki, "Wie der Wind sich hebt" (FURCHE 35/2014) fragen. Nun kommt ein weiterer "letzter" Film in die Kinos, diesmal ist es Ken Loach, der britische Titan der filmischen Sozialkritik, dessen "Jimmy's Hall" nun als solcher verkauft wird. Allerdings ist der Regisseur mit 78 längst in einem Alter, in dem man das Regiehandwerk sein lassen kann, zumal der Aufwand, den Loach betreibt, zweifelsohne kräfteraubend ist.

Der Vergleich mit Miyazaki ist dennoch nicht ganz weit hergeholt, denn bei beiden Filmemachern handelt es sich vermutlich um Ausnahmetalente - der eine in der japanischen Anime-Kunst unerreicht, der andre gleichermaßen einzigartig im Genre des sozial mitfühlenden und aufrüttelnden Kinos. Und beide holen mit ihrem "letzten" Opus die unerbittliche Geschichte des 20. Jahrhunderts in die Kinosäle.

Nach "The Wind That Shakes the Barley", mit dem Ken Loach 2006 in Cannes die Goldene Palme erringen konnte, nimmt sich der Regisseur nun zum zweiten Mal einen Stoffaus dem Irland der Zwischenkriegszeit vor. Während es im ersten Film um den irischen Bürgerkrieg ab 1920 geht, setzt "Jimmy's Hall" gut ein Jahrzehnt später an. Mit von der Partie hinter der Kamera ist einmal mehr Paul Laverty, der zu allen großen Ken Loach-Filmen das Drehbuch verfasst hat.

Jimmy Graltons Leben nachempfunden

"Jimmy's Hall" ist eine frei nachempfundene Lebenserzählung über den politischen Aktivisten James Gralton, der im eben unabhängigen Irland für die Rechte der einfachen Menschen und gegen die allmächtige katholische Kirche, die korrupte politische Klasse und die ausbeuterischen Grundbesitzer kämpft, welche die lokalen Kleinbauern durch ein unmenschliches Pachtsystem drangsalieren und oft um Hab und Besitz bringen.

Von Jimmy Graltons Leben sind nur "harte Fakten" bekannt; um das Bild seiner Persönlichkeit zu entwickeln, waren Loach und Laverty auf ihre filmerische wie erzählerische Intuition angewiesen. Aber einmal mehr zeigt sich, dass Ken Loach packend aus einer Zeit erzählen kann, die hierzulande völlig unbekannt und auch auf den britischen Inseln vermutlich weitgehend vergessen ist.

Jimmy emigrierte 1922 in die USA, weil er in den irischen Bürgerkriegswirren von den Rechten mit dem Leben bedroht wurde. 1932 kehrt er nach Irland zurück, weil damals die eher linke Fianna Fail-Partei an die Regierung kam und außerdem Jimmys Mutter mit dem Hof in der Grafschaft Leitrim nicht mehr zurande kommt.

Jimmy baut auf seinem Grund mit Gleichgesinnten eine Art Kulturzentrum auf, "Jimmy's Hall" eben, das aber dem Pfarrer und der Kirche überhaupt ein Dorn im Auge ist. Der Film beschreibt den Kampf gegen die klerikale und politische Übermacht, die siegt, indem sie Jimmy's Hall abfackeln lässt und den Protagonisten ohne Gerichtsverfahren des Landes verweist - eine bittere politische Parabel, die in den Fakten, die nicht der Ausschmückung von Jimmys Persönlichkeiten und seines Umfeldes dienen, nah an der Historie bleibt. Schon allein dies ist packendes Sozialkino, das überdies die Frage nach Widerstand und dem unerbittlichen Sieg der herrschenden Verhältnisse über idealistische Menschenfreundlichkeit plastisch thematisiert. Dass dabei Barry Ward in der Rolle des Protagonisten gemeinsam mit einem konzisen Ensemble auch darstellerisch überzeugt, trägt zur gewollten Beklemmung, die "Jimmy's Hall" hinterlässt, mitentscheidend bei.

Jimmy's Hall

GB/IRL/F 2014. Regie: Ken Loach. Mit Barry Ward, Simone Kirby, Jim Norton, Filmladen. 109 Min.

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