"Die Wolken und die Baumrinde - sie haben die gleiche Struktur!"

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Alles deutete bei ihm auf eine Musikerkarriere hin. Erst Mitglied der Wiener Sängerknaben, dann Studium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Fritz Simak wurde Trompeter, spielte bei "Standart Oil" und anderen New-Wave-Formationen, doch irgendwann war es die Fotografie, die sein weiteres berufliches Leben bestimmen sollte. Er wurde Fotograf und Fotosammler. "Fritz Simak ist Musiker, der Fotograf wurde; in seinen Bildern ist Musik", schrieb einmal Ernst Haas, Mitglied der legendären Bildagentur "Magnum", über ihn. Uns soll hier aber seine andere Profession interessieren, aus dem einfachen Grund, weil sie so selten ist. Mit einem Bestand von rund 4000 Werken zählt die Fotosammlung des Wieners zu den bedeutendsten in ganz Österreich.

Wir treffen Simak in einer Galerie. Wann kam bei ihm das Interesse für die Fotografie auf? Diese Frage provoziert bei ihm, 63, Mütze auf dem Kopf und Zigarette in der Hand, erst einmal ein Lachen. Ein lautes, schallendes Lachen. Wir werden ihn an diesem Vormittag vor allem als einen Menschen kennenlernen, der gerne lacht, und zwar mit Vorliebe über sich selbst. Doch er antwortet auch: Als Mitglied der Wiener Sängerknaben sei er viel herumgekommen. Schon damals, als Jugendlicher, habe er auf den Reisen stets einen Fotoapparat dabeigehabt, um sowohl wichtige Momente als auch fremde Länder im Bild festzuhalten.

Anfang der 1970er-Jahre: In der Wiener Innenstadt eröffnet eine Fotogalerie, "Die Brücke". Eine kleine Sensation, denn nach der "Photographers' Gallery" in London ist das die erste kommerzielle Fotogalerie auf dem Kontinent. Bei den Wienern sorgt sie indes eher für Verwunderung. Fotos im Rahmen -wieso das? Rahmen sind doch etwas für Gemälde! Damals herrschte noch die Ansicht vor, dass Fotografie bestenfalls Handwerk sei.

Kenner des Kunstmarktes

Simak ging damals in der Galerie ein und aus -und entdeckte ein Werk von Franco Fontana, eine für den 1933 geborenen italienischen Fotografen typische abstrakte Komposition. Auf Anhieb war er fasziniert und er kaufte diese Fotoarbeit -um 1000 Schilling. 16 Jahre war er damals. Seine Sammlertätigkeit begann Simak also als Schüler. "Fotografien sammeln heißt die Welt sammeln", schreibt Susan Sontag in ihrem Essayband "Über Fotografie". Eine Aussage, die Simak vorbehaltlos unterschreiben kann.

Ein paar Tage später treffen wir Simak wieder, diesmal in seinem Büro. An der Wand eine Fotoarbeit von Edward Weston, die Aufnahme einer Muschel. Es handelt sich um einen Abzug von Westons Sohn, Cole. Wert: rund 8000 Dollar. Das gleiche Sujet vom Meister selbst geprintet, mit Signatur, wird auf dem Markt um mehrere hunderttausend Dollar gehandelt. Dabei, so Simak, sei der Abzug des Sohnes kein bisschen schlechter als der des Vaters. Doch der Kunstmarkt, der hat eben seine eigenen Gesetze.

Die Motive von Edward Weston (1886-1958) kann man fast an einer Hand abzählen: Paprikaschoten, Pflanzen, Muscheln, Menschenkörper. Nichts Besonderes, sagen manche. Für Simak hingegen ist Weston "ein Gott", so wie auch Ansel Adams (1902-1984), ein Schüler von Weston, ebenfalls US-Amerikaner. Für diese beiden Fotografen war die Arbeit mit der Kamera fast so etwas wie eine heilige Angelegenheit. Jeder ihrer Aufnahmen gingen genaue Überlegungen voraus, nichts wurde dem Zufall überlassen. Weston nannte die Fotografie "einen Weg der Selbst-Entdeckung, ein Mittel, um sich selbst zu erforschen und sich mit den Urformen in Einklang zu setzen - mit der Natur, dem Ursprung." Pathetische Worte.

Simak holt aus einer seiner Archiv-Schachteln eine Fotoarbeit von Ansel Adams. Andere würden das nur mit allergrößter Vorsicht tun -Simak nicht. "Wer weiß, wie in der Dunkelkammer mit Fotopapier umgegangen wird, der fasst es nicht mit Samthandschuhen an", sagt er und lacht wieder sein schallendes Lachen.

"Schauen Sie: die Wolken und die Baumrinde -sie haben die gleiche Struktur! Großartig!", ruft er aus. Aber, wendet der Besucher ein, kann das nicht auch einfach ein glücklicher Zufall sein?"Natürlich, doch die guten Fotografen haben bekanntlich mehr Glück", sagt Simak.

Er reicht dem Besucher das Foto, ein Silbergelatineabzug. Dem Besucher wird augenblicklich ganz warm. Er hält ein Original des berühmten Meisters in den Händen, ein Stück Kunstgeschichte. Zum visuellen Eindruck kommt der haptische. Welch ein Unterschied, ob man einen Ansel Adams in einem Katalog abgebildet sieht oder selbst in der Hand hält!

Adams war ursprünglich Pianist, kommt also so wie Simak von der Musik. Bestehen Parallelen zwischen den beiden Künsten? "Ein Musiker muss immer gleichzeitig auf sich und die anderen hören, mit denen er spielt. Notwendig ist eine besondere Sensibilität. Und auf diese Sensibilität kommt es auch in der Fotografie an", antwortet Simak, der im Übrigen an sein Musik-ein Kunstgeschichtestudium anschloss und seine Abschlussarbeit über Fotografie schrieb.

Großes Sammlerherz

Früher erwarb der Sammler Fotos gerne auf Flohmärkten, doch nun sei das kein Ort mehr für spannende Entdeckungen. Das meiste kaufe er mittlerweile über das Internet oder Auktionen. Dazu kämen persönliche Kontakte, zufällige Begegnungen. Und wie darf man sich da die Preisverhandlungen vorstellen? "Ganz einfach. Der Verkäufer nennt einen Preis -und ich jammere. Ich jammere immer", sagt Simak.

Günstig einkaufen, teuer verkaufen. So denkt der Kaufmann, so denken auch andere Fotosammler. Für Simak ist eine Wertsteigerung seines Bestandes allerdings höchstens ein angenehmer Nebeneffekt. "Andere kaufen sich ein teures Auto, das interessiert mich nicht. Ich umgebe mich lieber mit Fotos. Wobei Sammeln nicht vom Geld abhängt. Man kann auch schon für 100 Euro ein wunderbares Foto erwerben."

Diese Freiheit besitzt Simak: Im Gegensatz zu Museen braucht er sich in seinem Ankaufverhalten nicht an bestimmte Standards zu halten. Er kann sich vielmehr ganz von seinen persönlichen Präferenzen leiten lassen, daher ist die Sache im Grunde auch ganz einfach: Er sammelt, was ihm gefällt. Und es gefällt ihm viel. Etwa Alfred Pfau oder Walter Ebenhofer, beides Fotoamateure aus der Zwischenkriegszeit, die nie groß herauskamen. Auch Peter Butz hat es ihm angetan, dieser zeitgenössische österreichische Fotograf, der so gut wie alles in Serien festhält: Schilder, Autos, Bäume, Menschen. Die Einzelbilder, eher geknipst als fotografiert, fügt er dann zu Collagen zusammen. "Herrlich, diese Arbeiten", ruft Simak aus. Dabei unterscheiden sich Butzʼ Werke fundamental von denen eines Weston und Adams. Simaks Sammlerherz scheint sehr groß zu sein.

Vielleicht rührt seine Liebe zu Butz auch daher, dass er selbst gerne Fotos zu Tableaus zusammenstellt. Im Jahr 2007 kuratierte er die Ausstellung "Landschaft". Dazu brachte er Landschaftsbilder des Niederösterreichischen Landesmuseums mit solchen aus seiner eigenen Sammlung zusammen, also nationale mit internationaler Kunst. Und 2011 präsentierte Simak im Leopold Museum die Schau "Magie des Objekts". Bestückt mit Arbeiten aus seiner Sammlung und der von Andrea Spallart, einer befreundeten Fotosammlerin. In beiden Fällen ging es Simak darum, Traditionen und Brüche aufzuzeigen, unterschiedliche Epochen zusammenzubringen, einzelne Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Kurzum: die Welt zu zeigen.

Eigene Fotoarbeiten von Fritz Simak sind derzeit zu sehen in der Ausstellung Fotografie +Malerei! im Werk von Adolf Frohner Forum Frohner, bis 7. April 2019 www.forum-frohner.at, www.fritzsimak.com

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