Die Zukunft im Visier

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Mit der Schau „Prometheus“ eröffnet das Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz seine neu gestalteten Präsentationsräume. Die ausstellenden Künstler setzen sich auf sehr unterschiedliche Weise mit dem mythologischen Kulturbringer auseinander.

Früher und später, könnte man sagen, kommen alle Neuigkeiten ans Tageslicht. Im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz ergibt sich das Früher aus einer Geschichte der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst auf hohem Niveau von dreieinhalb Dezennien und das Später aus dem Beginn in den neuen Räumlichkeiten. Auch wenn der Umzug nur in ein Stockwerk tiefer vollzogen wurde, die Herausforderung stellte sich zunächst in architektonischer Hinsicht. Die Adaptierung der ehemaligen Klosterzellen zu einem kohärenten Ausstellungsraum punktet gerade aufgrund ihrer Einfachheit ausgefeilten Gliederungen, in einer Kombination aus Holz und Lehmputz wird der ursprüngliche Geist aus der Nutzung durch einen Bettelorden überzeugend in den Bereich der Kunst weiterentwickelt.

Der Vorausdenker

Die Wahl des Themas für die Eröffnungsausstellungen in den neuen Präsentationsräumen nimmt mit Prometheus – wörtlich übersetzt: der Vorausdenker – die Zukunft ins Visier. Eine mythologische Figur dient den in der Ausstellung vertretenen Kunstschaffenden als Vorgabe für ihre eigene Deutung jenes Kulturbringers für die Menschheit, der den Göttern das Feuer entführte und es den Sterblichen weitergab, und der dafür vom Göttervater Zeus am Kaukasusgebirge angekettet wurde, wo ihm der Adler die immer wieder nachwachsende Leber aus dem Leib pickte. Daneben hat auch die junge Kirche (z. B. Tertullian) eine Ähnlichkeit zwischen den Leiden von Prometheus und jenen von Jesus ausfindig gemacht, wenngleich Prometheus bloß als Vorläufer, Jesus aber nun als der wahre Leidende auftritt.

Die künstlerischen Zugänge präsentieren sich in einer reichen Vielfalt. Zunächst weist im Hof eine sechs Meter hohe Säule aus Draht von Marianne Maderna den Weg nach oben. Übereinander getürmte Männerfiguren formen eine Siegessäule, die aber fleischlos bleibt, eine vorgetäuschte Stütze zum Durchgreifen. Petra Sterry bespielt mit der kleinsten Skulptur der Ausstellung den größten Raum und erzählt die Geschichte des Großvaters, dem maschinell die Möglichkeit zu sterben entzogen wird und der darum kämpfen muss, um aus dieser Ewigkeit entkommen zu können. Die Oberfläche von Jaume Plensas kauernder Figur besteht im wörtlichen Sinn aus einem Text, leicht angerostete Metallbuchstaben hüllen einen leeren Leib ein. Daneben hängt Berlinde de Bruyckeres Leidensfigur, ein Torso aus Wachs, aufgespannt zwischen mächtiger Raumergreifung und extremer Verletzlichkeit aufgrund des verwendeten Materials. Einer ähnlichen Konzentration auf die aus dem Produktionsmittel erstehenden Eigenschaften bedient sich Christian Eisenberger, der Zuckerkreuze mit Feuer bearbeitet, sodass der Zucker karamellisiert und eine Schutzschicht für die Leinwand bildet.

Gegen die Vereinnahmung des Prometheus-Mythos’ durch totalitäre Regime, die sich selbst als Lichtbringer stilisieren, arbeitet sowohl Andreas Hofer, der seine riesigen Fragmente aus ins Banale kommerzialisierten Figuren mit „Andy Hope 1930“ signiert und damit gleichzeitig einen Hinweis auf ein Umbruchsjahr und eine dagegengesetzte Hoffnung liefert, als auch Manfred Erjautz, der traditionelle Darstellungen ironisiert, indem er sie in ein Männerbein verwandelt, das auf der Fußsohle eine Zuckerdose balanciert.

Gott ist kurz für fünf Minuten weg

Werner Reiterers „Gott“ hat seinen Heiligenschein aus einer Neonröhre auf seinem Arbeitstisch abgelegt, mit dem Hinweis, dass er kurz einmal fünf Minuten weg sei – dafür klingelt das dagelassene Mobiltelefon eben alle fünf Minuten. Naturwissenschaftliche Querverweise tauchen bei ILA auf, der an einer als Objekt in den Raum gestellten DNA-Doppelhelix die beiden Aggregatzustände von Feuer und Eis aufeinanderprallen lässt und bei Wendelin Pressl, der das Sternbild des Prometheus erfand. Franz Kapfer personalisiert in seinen Performances den scheinbar objektiven Zugang wieder, wenn er sowohl als Brandstifter als auch als Löschpersonal auftritt.

Prometheus

Kulturzentrum bei den Minoriten

Mariahilferplatz 3/I, 8020 Graz

bis 25.Ø4., Mo–Fr 10–17, Sa, So 11–16 Uhr

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