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Thomas Bernhards "Alte Meister" in Reichenau.

T intorettos Bildnis "Weißbärtiger Mann" blickt mehrfach von den Seitenwänden des alten Reichenauer Theatersaals auf das Publikum. Auf der Bühne (Peter Loidolt), die den "Bordone-Saal" des Wiener Kunsthistorischen Museums darstellen soll, erblickt man Bänke und kahle Wände. Hier läuft eine von Hermann Beil verfertigte und inszenierte "Komödie" nach Thomas Bernhards Roman "Alte Meister" ab - kaum Handlung, aber viel bissiger Text in typischer Bernhard-Manier.

Der alte Musikphilosoph Reger (Martin Schwab), der Kritiken für die Londoner "Times" verfasst, trifft vor Tintorettos Gemälde, wo er einst seine verstorbene Frau kennen gelernt hat und seit Jahrzehnten jeden zweiten Vormittag "außer Montag" verbringt, den Privatgelehrten Atzbacher (Erwin Steinhauer), der nie etwas veröffentlicht. Mit von der Partie ist noch der Aufseher Irrsigler (Toni Böhm), wohl nicht zufällig mit Doppel-r geschrieben, ein verhinderter Polizist, der nun Kunstwerke statt Krimineller überwacht und abends einsperrt und sich im Lauf der Jahre zu einem Nachbeter von Regers Tiraden zu Politik und Kunst entwickelt hat. Als Aussage kommt heraus: Nicht die "großen Geister und alten Meister", in deren Werken Reger immer auch Unvollkommenes entdecken konnte, geben Halt im Leben, sondern die Beziehung zu einem Menschen - Bernhard schrieb den Text nach dem Verlust seines "Lebensmenschen", der 35 Jahre älteren Hedwig Stavianicek.

So großartig die drei Herren auf der Bühne, insbesondere der Bernhard-Spezialist Martin Schwab und sein Sprachrohr Toni Böhm, den von Beil auf das Wesentliche konzentrierten Text präsentieren, echte Dramatik kommt nicht auf. Was der Autor über Österreich ätzt, diesmal vor allem über das Burgenland (dem Bernhard boshaft Bruck an der Leitha zuordnet) und Oberösterreich - durch vernichtende Kritik an Adalbert Stifter und Anton Bruckner - bekommt langsam auch einen weißen Bart und wirkt nicht mehr als Provokation. Der lebhafte Beifall des Reichenauer Premierenpublikums nährt den Verdacht, dass immer mehr Leute auch Thomas Bernhard bereits zu den "alten Meistern" zählen.

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