Drei Wochen Schaffensstillstand

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Ein Biopic der etwas anderen Art: In "Final Portrait" nähert sich Stanley Tucci dem Jahrhundertbildhauer Alberto Giacometti in einer sperrigen Filmparabel, die auch der Frage nach Kunst und Künstler nachgeht.

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Ein Biopic der etwas anderen Art: In "Final Portrait" nähert sich Stanley Tucci dem Jahrhundertbildhauer Alberto Giacometti in einer sperrigen Filmparabel, die auch der Frage nach Kunst und Künstler nachgeht.

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Paris, ein Fest für die Kunst - jedenfalls um die Mitte des 20. Jahrhunderts, als von Picasso abwärts Kunstgeschichte gerade in der französischen Metropole geschrieben wird. Auch der Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti (1901-66), der hier mit seiner Frau Annette, seiner Geliebten Caroline und seinem Bruder Diego lebt und schafft, gehört zu den Großen der Moderne, die an der Seine sich über mehrere Stilepochen hinweg entwickeln: Vom Kubismus über den Surrealismus reicht der Werkbogen des Bildhauers, bis er bei den schlanken, charakteristischen Skulpturen landet, die auf dem Kunstmarkt bis heute astronomische Preise erzielen .

Über die Kunst und über den Künstler

Doch nicht um Giacomettis bildhauerisches Œuvre geht es in Stanley Tuccis Biopic "Final Portrait", sondern um eine Malerei, das Porträt des Schriftstellers und Giacometti-Verehrers James Lord (1922-2009). Eine wahre Geschichte, die Tucci der bis heute maßgeblichen Giacometti-Biografie, die Lord 1985 vollendete, entnahm, und die zu einer Filmparabel über das Werden von Kunst und die Zerrissenheit des Künstlers geraten ist: 1964, als James Lord wieder einmal in Paris weilt, um seinen Freund zu besuchen, bittet Giacometti, ihn porträtieren zu dürfen. Nur zwei Stunden werde es dauern, vielleicht drei. Allerhöchstens einen Nachmittag.

Lord, von des Künstlers Ansinnen geschmeichelt, stimmt zu -und ahnt nicht, worauf er sich einlässt: Beinahe drei Wochen lang wird sich der amerikanische Autor Zeit nehmen müssen, denn Giacometti hat einmal eine Mal-Hemmung, dann wieder kann er nicht beginnen, oder er findet das gemalte schrecklich und übermalt es wieder und wieder. Zwischendurch sinniert er mit seinem Modell über Kunst und das Leben, sucht ausschweifend seine Stammlokale auf oder lässt sich von der Prostituierten Caroline, mit der er neben seiner Ehe mit Annette ein Verhältnis hat, ablenken. Einer, der in den Tag hinein lebt, und der schon einmal Skizzen und dabei versehentlich auch fertige Bilder verbrennt.

Kunst ist das Ergebnis eines schmerzhaften Prozesses: Selten wurde diese Erkenntnis so gekonnt auf Kinoleinwände gebannt wie in diesem "Letzten Porträt". Und der Künstler entpuppt sich nicht als menschliche Größe, sondern als kleines oder großes Ekel, das sich weder ums Zeitbudget des Freundes noch ums Seelenleid von Gattin Annette kümmert.

Ein Regisseur, der sich einiges traut

Einen Film über drei Wochen Schaffensstillstand zu drehen, ist mutig. Stanley Tucci, Hollywooddarsteller der zweiten Reihe, traut sich als Regisseur einiges: Denn "Final Portrait" ist ein sperriger Film, durch den sich auch der Zuschauer quälen muss. Aber den er post festum nicht missen möchte. Ein Arthausfilm par excellence, der auch von seinen Schauspielern lebt. Geoffrey Rush als Alberto ist großartig, Armie Hammer in der Rolle des James Lord nicht minder.

Und die Unterstützung durch die kleineren Rollen bleibt nicht minder gewichtig - Tony Shalhoub (der unvergessene waschzwangbehaftete Detektiv "Monk") als Diego Giacometti ebenso wie Sylvie Testud (hierzulande als wundersam Geheilte in Jessica Hausners "Lourdes" erinnerlich), die die Ehefrau Annette spielt. Und Clémence Poésy komplettiert als laszive wie unverfrorene Mätresse Caroline eine Ensembleleistung, die sich wirklich sehen lassen kann.

Final Portrait GB 2017. Regie: Stanley Tucci. Mit Geoffrey Rush, Armie Hammer, Tony Shalhoub, Sylvie Testud, Clémence Poésy. Filmladen. 90 Min.

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