Ein exemplarisches Lotterleben

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Gesellschaftssatire "The Wolf of Wall Street“: Regisseur Martin Scorsese und Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio sind in ihrem Element.

Scorsese, wie er leibt und lebt. Auf diesen Nenner kann man des Hollywoodmeisters jüngsten Streich "The Wolf of Wall Street“ bringen. Eine andere Charakteristik stimmt gleichfalls: Leonardo DiCaprio ist bei seiner nun schon fünften Zusammenarbeit mit Scorsese in seinem Element wie nie zuvor, auch wenn er bereits vor mehr als zehn Jahren in Steven Spielbergs "Catch Me If You Can“ schon einmal einen Protagonisten mimte, der viel mehr dem Schein als der rüden Wirklichkeit verfallen war.

Golden Globe als "Bester Komödiant“

Schließlich mag noch die Tatsache, dass DiCaprio im Film das verpönte F……-Wort öfter als je zuvor in einer Hollywoodproduktion herauszuschreien hat, dafür verantwortlich sein, dass dem Wolf der Wall Street in den USA das verkaufshinderliche "R“-Rating (nur in Begleitung von Erwachsenen anzusehen) angehängt wurde.

Aber das tut der Einschätzung keinen Abbruch, dass sich Scorsese und DiCaprio einmal mehr selber übertreffen - obwohl bei der diesjährigen Oscar-Verleihung die Konkurrenz doch arg stark ist und "12 Years a Slave“ (siehe links) oder "American Hustle“ sich mehr in der Favoritenrolle vorfinden. Bei den Golden Globes durfte sich der Hauptdarsteller aber immerhin über den Preis als Bester Komödiant freuen.

Ausgangspunkt von "The Wolf of Wall Street“ ist die gleichnamige Autobiografie von John Belfort, der als betrügerischer Investmentbanker und Hedonist der Extraklasse von sich reden machte: Anfang der 1990er-Jahre verdiente der 26-Jährige bei seinen windigen Börsengeschäften gut 49 Millionen Dollar - er lässt auch im Film keine Prostituierte, die ihm über den Weg läuft, oder kein Gramm Koks, das ihm unterkommt, aus. Eine kolossale Börsensatire gelingt Scorsese, ein Meisterwerk über die Untiefen der Finanzwirtschaft: Wenn heutzutage jeder einigermaßen anständige Bürger darüber sinniert, wie sehr Finanz- und Realwirtschaftswelt auseinanderdriften, so steht John Belforts Existenz quasi paradigmatisch für diese Entwicklung. Mögen die Unregelmäßigkeiten bei Lehman Brothers oder eines Bernie Madoff in der finanziellen Dimension die Verbrechen des John Belfort um ein Mehrfaches übersteigen: Der Prototyp des Börsengangsters, der es sich letztlich aber mit einem Klacks an Gefängnisstrafe und seinem heutigen Dasein als Motivations-Coach richten konnte, wird an John Belfort exemplarisch sichtbar.

Große Metapher für einen Wirtschaftsstil

Als Belfort 1987, nach dem damaligen großen Börsenkrach, seine Firma "Stratton Oakmont“ in Stellung bringt, zeigt der Film in grandiosem Setting, wie aus einer Handvoll verschworener Mitarbeiter ein selbstreferenzielles Unternehmen wird, dessen herumhurender, saufender und koksender Chef jegliche Bodenhaftung verliert. Die bitterböse Gesellschaftssatire entpuppt sich so als große Metapher eines in den Untergang führenden Lebens- und Wirtschaftsstils.

Denn dem dreisten Jungunternehmer ist längst das FBI auf den Fersen, personifiziert in der Gestalt des unbestechlichen Agenten Patrick Denham (Kyle Chandler), der sich vom Glamour Belforts weder täuschen noch bestechen lässt. Manchmal im Leben geht der Krug so lange zum Brunnen, bis er doch bricht: Belfort bleibt in den Fängen der Justiz hängen, obwohl er es sich dann doch irgendwie richten kann, indem er die Mitstreiter verrät, auf dass er seine Kinder, die er mit dem blonden Gift namens Naomi (Margot Robbie) hat, auch weiterhin sehen kann.

Scorsese hält mit "The Wolf of Wall Street“ dennoch kein Moralin bereit, das sein Publikum bessert oder jedenfalls von den Tücken der windigen Börsengurus ein wenig abhält. Der Regie-Altmeister versucht sich einmal mehr an einem zeitgenössischen Märchen, das einen schaurigen realen Hintergrund hat und mit den dicken Pinselstrichen, zu denen dieser Filmemacher fähig ist, ein Bild wirtschaftlicher Unsittlichkeit wird, das seinesgleichen sucht. Und wer glaubte, dass Leonardo DiCaprio bei Scorsese schon alle Register seiner Schauspielkunst ziehen konnte, sieht hier, dass der Filmstar noch nicht am Zenit seines Könnens angelangt ist. Auch wenn er schon nahe dran ist.

The Wolf of Wall Street

USA 2013. Regie: Martin Scorsese. Mit Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Margot Robbie, Matthew McConaughey. Universal. 180 Min.

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