Ein Hauch von Flower-Power an der Oper

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Sie gehört zur Geschichte der Oper und ist allein seit fünfzig Jahren an der Wiener Staatsoper aktiv: Anja Silja. Persönliche Erinnerungen an einen Weltstar, der auch nach sechzig Bühnenjahren noch viel vor hat.

Auf der Bühne spielt sie heute uralte Gräfinnen, verklemmte Stiefmütter oder fanatische Hexen - und gehört zur Geschichte der Oper wie Emilia Marty ("Die Sache Makropulos") von Leos Janácek zum Spezialitäten-Repertoire der Opern-Feinschmecker. Anja Silja, die einstige Wieland-Wagner-Senta oder -Salome, ist allein in der Wiener Staatsoper seit 50 Jahren aktiv: sie debütierte am 2. Mai 1959 als Königin der Nacht im Alter von nicht einmal 19 Jahren - 15 Monate bevor sie in Bayreuth als Einspringerin für Leonie Rysanek den Grundstock für eine einzigartige internationale Karriere legte, die allmählich reif fürs Guinness-Buch der Rekorde zu werden beginnt. Jedenfalls ist die Berlinerin auch mit ihren heute 70 Jahren eine witzige, schlagfertige Interviewpartnerin, die für jede Überraschung gut ist. Und der Interviewer und Autor dieser Zeilen hat zu Anja Silja Erinnerungen parat, die bis 1963 zurückreichen …

Ich kann den Tag genau nennen, an dem ich zum "Opernfan" mutierte. Ich hatte ab meinem 13. Lebensjahr unregelmäßig die Wiener Staatsoper besucht - gemeinsam mit meiner Mutter.

Mein erster "Opern-Hype"

Meist Samstag-Nachmittag fuhren wir mit der Tram zum Burgtheater, um uns für Stehplätze anzustellen; war die Schlange zu lang, versuchten wir es bei der Staatsoper. So kam ich - immer auf Galerie Halbseite - zu "Butterfly" mit Sena Jurinac, "Don Giovanni" mit Eberhard Waechter und zu "Carmen" mit Jean Madeira. Doch zu Ostern 1961 forderte mich mein damaliger Klassenkollege Heinz Schimanko auf, ihn zur Premiere von "Parsifal" mit Herbert von Karajan zu begleiten. Er war mit einer angehenden Sängerin befreundet, die zum "inner circle" des Stehplatzes gehörte: "Und wir müssen uns die ganze Nacht anstellen …" Dieses Ritual machten einige Hundert vorwiegend jugendliche Stehplatzler mit und wurden mit einer der schönsten Wagner-Vorstellungen belohnt, die ich je erlebt habe. Ich hatte meinen ersten "Opern-Hype", der mich wohl richtig süchtig gemacht hat. Und für einige Jahre war ich (spätpubertärer) "Wagnerianer". Und so führte mich meine Maturareise nach Bayreuth - im Sommer 1963. Ich hatte sogenannte Studenten-Treppensitze ergattert, wohnte in der Jugendherberge und musste bei der Hinreise einmal im Freien übernachten. Neben Hans Knappertsbusch, George London, Martha Mödl und Astrid Varnay war es vor allem die blutjunge 23-jährige Anja Silja, die einen Vorgeschmack von Flower-Power in das von Wieland Wagner dominierte Bayreuth brachte. Die hochgewachsene rothaarige Berlinerin zeigte sich offen als Freundin des verheirateten Wagner-Enkels; sie betonte ihre "Twiggy-Figur", trug Mini-Röcke und zeigte sich gerne im Sportwagen. Und ihr Singen war "cool", gar nicht belkantesk, aber sie packte mich, und als sie 1965 als Wieland-Salome an der Staatsoper debütierte, schrie sich eine kleine Fangruppe von der Galerie die Kehle heiser. Aber niemand hätte damals darauf einen Kreuzer gesetzt, dass sie eine Marathon-Karriere von bald 60 Bühnenjahren zustande bringen würde. Und dabei hat die Silja noch viel vor …

Opernwerkstatt

mit Anja Silja

21. Juni 2009, 11-13 Uhr, Radiokulturhaus

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