Ein Liebesdrama mit El eganz

Werbung
Werbung
Werbung

Ulrike Draesner macht aus der Liebe eine Wissenschaft für sich.

Die 48-jährige Berliner Schriftstellerin Ulrike Draesner ist längst keine Unbekannte mehr. Mit ihrer ausgearbeiteten Sprache, der komplexen Themenwahl und vor allem dem spannungsreichen Bezug auf zeitgenössische Fragen überzeugt sie seit Langem. Immer wieder gelingt es ihr, Sehnsüchte und Tabus unseres Jahrhunderts überraschend darzustellen. Entwicklungen in den Naturwissenschaften werden ebenso aufgegriffen und weitergedacht wie kulturelle Verhaltensweisen.

In Draesners neuem Roman "Vorliebe" steht die Astrophysikerin Harriet für die Wissenschaften; das Forschen über romantische Gefühle, das sie betreibt, für unser Handeln. Dabei wird die Liebe, könnte man meinen, zu einer Lehre für sich.

Die halbindische, mathematikbegeisterte Harriet formt in ihrem Beruf aus nüchternen Daten schöne kosmische Bilder. Auch ihre sonstigen sozialen Verhaltensweisen sind gleichsam völlig normal.

Mit Lust und Rasanz

Sie lebt zusammen mit Ashley, ihrem Partner, und Ben, dessen Sohn aus einer früheren Beziehung, eine nervende Patchworkfamilie, eigentlich ein lähmendes Zweckbündnis. Doch dann gerät mit einem Schlag, und zwar mit einem Autounfall, alles aus den geordneten Bahnen. Ashley fährt mit dem Auto Maria an, die Frau von Harriets Jugendliebe. Peter, den Harriet längst vergessen geglaubt hat, tritt wieder in ihr Leben. Eine nur vermeintlich harmlose Liebelei, ein Lebensunfall, beginnt.

Scheinbar ist man abgeklärt und aufgeklärt. Eifersucht, denkt man, sei antiquiert. Aber eben nur anscheinend. Auch moderne Paare haben Gefühle. Ulrike Draesner schickt ihr Romanpersonal auf eine verspielte Art in ein Labyrinth aus romantischen Verwicklungen.

Die Komplikationen potenziert die Autorin noch dadurch, dass Peter evangelischer Pfarrer ist. Der Ehebruch hat wegen der gesellschaftlichen Position des Priesters eine besondere Bedeutung. Eine Figur überlebt die Geschichte nicht. Mehr sei inhaltlich nicht verraten. Höchstens, dass das Buch auch spannend zu lesen ist.

Ulrike Draesners Roman ist mit großer Lust und Rasanz geschrieben. Und mit leichten Sätzen. Die widersprüchlichen Gefühlslagen sind einfühlsam beobachtet und kommen dezidiert zum Ausdruck, so auch die Liebesszenen. Die letzte gemeinsame Nacht wird zur schönsten.

Uraltes Thema

Das Thema dieser gelungenen Prosa ist ein uraltes, nämlich die Frage, ob man zwei Menschen gleichzeitig lieben kann, was im Roman immer wieder behauptet wird. Fast glaubt man es Ulrike Draesner - und einige Zeit ist es im Buch tatsächlich möglich.

Man kann den Roman "Vorliebe", wenn man denn nach literarischen Wurzeln suchen wollte, auch als eine moderne Variante von Goethes "Wahlverwandtschaften" verstehen. Draesners Prosa ist jedenfalls ein - mit Eleganz geschickt gebautes - Liebesdrama.

Vorliebe

Roman von Ulrike Draesner

Luchterhand Literaturverlag 2010 253 S., geb., € 20,60

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung