Einem Popanz geht die Luft aus

19451960198020002020

Die Wiener Volksoper wartet mit Jacques Offenbachs hierzulande kaum bekannter Operette "Blaubart" auf.

19451960198020002020

Die Wiener Volksoper wartet mit Jacques Offenbachs hierzulande kaum bekannter Operette "Blaubart" auf.

Werbung
Werbung
Werbung

Was für ein Mann! Ritter Blaubart, eine stattliche Erscheinung: lange Mähne, wohlgenährt, selbstzufrieden. Auf einer mächtigen Kanone reitend bewegt er sich durch die Lande. Der Kanonenlauf - phallische Assoziationen tun sich auf - eilt ihm ebenso voraus wie der Ruf, seine fünf Ehefrauen gemeuchelt zu haben. Am Ende jedoch ist die Luft heraußen aus dem aufgeblasenen Protz: Sein Vertrauter Popolani, den Blaubart mit den Morden beauftragt hatte, ließ die vermeintlichen Opfer am Leben und vergnügte sich seither mit ihnen in seinen Verliesen. Blaubart wird verlacht, seine Macht ist gebrochen, er verfällt.

Die Wiener Volksoper hat seit letzten Samstag "Blaubart", eine hierzulande kaum bekannte Operette von Jacques Offenbach, im Repertoire. Regie führte Volksoperndirektor Dominique Mentha höchstpersönlich, der zuletzt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war. Die Zeitschrift "News" hatte alarmierend niedrige Auslastungszahlen für das Haus am Gürtel kolportiert - Zahlen, die übrigens nicht mit den offiziellen der Bundestheater-Holding übereinstimmen. Insofern wurde Menthas künstlerische Antwort auf die Angriffe mit Spannung erwartet.

Diese ist zwiespältig ausgefallen: Da ist zum einen Menthas ausgefeilte, im Tempo stark zurückgenommene, höchst subtile Inszenierung, die die Operette als große Oper behandelt. Zum anderen ist da die missglückte musikalische Leitung von Howard Arman, die es an Spritzigkeit vermissen lässt. In der Musik hätte unbedingt jene Turbulenz herrschen müssen, die manchen bei Menthas Regie abging. Wenn diese Aufführung kein Erfolg wird - beim Premierenpublikum war sie es - so muss dies dem Dirigenten angelastet werden.

Vor allem die Szenen am Hofe König Bobeches sind an Komik kaum zu überbieten. Der kindische Bobeche (köstlich: Josef Forstner), eine Art Ludwig XIV. im Westentaschen-Format, spielt mit der Weltkugel wie einst Charlie Chaplin in "Der große Diktator", aber steht unter der Fuchtel seiner tyrannischen Frau (enttäuschend: Sigrid Martikke) und scheitert als Mörder ebenso wie Blaubart: Die Hofschranzen, die zu töten er befahl, erfreuen sich weiterhin ihres Lebens. Graf Oscar (Adrian Eröd) hat sie ebenso versteckt gehalten wie Popolani (Steffen Rössler) Blaubarts Frauen.

Großartig Ingrid Erbs Kostüme: Blondierte Fönfrisuren dominieren den gesamten Hofstaat, der in ganz in Gelb gehaltener historischer Tracht erscheint. Dass Daphnis (Ferdinand von Bothmer) und Fleurette (Arona Bogdan) nicht Schäfer und Blumenmädchen sind, erkennt man schon an ihrer Pseudo-Rokoko-Kleidung.

Blaubarts Gegenspielerin, die ihn schließlich zu Fall bringt, ist die lebenslustige Boulotte. Das natürliche, auf einer Kuh einherreitende Mädel wird Blaubarts sechste Frau, nach ihrer "Ermordung" zieht sie mit den anderen vermeintlichen Opfern an den Königshof und stellt den Möchtegern-Macho bloß. Boulotte und Blaubart sind auch die großen Sängerpartien dieser "Opera-bouffe": Während Ulrike Steinsky ihre Koloraturen ebenso meistert wie den Ausdruck von Unverdorbenheit, bleibt John Mac Mas-ters Stimme hinter seiner Erscheinung zurück: Zu wenig kräftig, zu schwerfällig in den Verzierungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung