Sittenbild, intellektuell und erotisch heiter

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Turteltauben - die vermeintlichen Schäfer Saphir und Fleurette, Kuss-Süchtige - das resche Bauernmädchen Boulotte und der vermeintliche Brautmörder Ritter Blaubart, ein verhaltensauffälliges Königspaar - Bobeche und Clementine, sowie ein verdächtiger Alchimist namens Popolani: darüber lachten nicht nur die Pariser bei der Weltausstellung 1866/67, sondern auch die Hörer von Karl Kraus und das Berliner Publikum von Walter Felsenstein in 369(!) Vorstellungen. Nein, nach der gelungenen Produktion der Ära Nemeth anno 1989 von Tamas Ferkai lacht nun auch wieder das internationale Publikum bei der Styriarte in der idealen Helmut-List-Halle.

Jacques Offenbachs ironisches Sittengemälde auf Kaiser, Kaiserin, Pariser Adel und Höflinge geht in intelligenter Neufassung von Regisseur Philipp Harnoncourt, die dem Original von Henri Meilhac und Ludovic Halévy keine Gewalt antut, aber schöne Extempores über Koalitionskanzler, Raiffeisen-Malaisen und steirische Dialekte zum Lachen erfindet, spannend, intellektuell und erotisch erheiternd über die Bühne.

Mit Animo durch die Partitur

Vor der listig-lustigen Optik spielen und singen erstklassige Vollprofis: die ariosen Passagen in gepflegtem Französisch, die elegant aktualisierten Dialoge auf Hochdeutsch, Schwyzerdütsch und Oststeirisch-Südburgenländisch.

Maestro Nikolaus Harnoncourt und das Chamber Orchestra Of Europe mit der famosen Konzertmeisterin Lorenza Borrani, den pastos agierenden drei Celli und den zwei virtuosen Trompeten federn animierend durch die spritzige Partitur und tragen die Sänger liebevoll durch die Vokalparts.

Johannes Chum als Blaubart in martialischer Fidel-Castro-Kampfausstattung setzt seinen noblen Oratorientenor saftig machomäßig und doch immer belkantistisch schmelzend ein. Da kann doch Elisabeth Kulman, Burgenlands köstlich erotisierende Mezzo-Primadonna, am Ende ihrer herzensbrecherischen Brachialtour nichts anderes tun, als in der Partie der Boulotte gurrend zu triumphieren. Heimlicher Drahtzieher der Blaubart-Morde und Bräute-Reanimation ist der wendige französische Bass Sébastien Soulès als Popolani.

Ohne budgetsprengenden Aufwand zaubern Philipp Harnoncourt als Regisseur, Max Kaufmann als Animationserfinder und Elisabeth Ahsef als Kostümbildnerin optische Bühnencoups und hochdiskutable szenische Ästhetik. Bravo!

Ritter Blaubart / Barbe-Bleue

styriarte, Helmut-List-Halle Graz

28., 30. Juni, 2. Juli

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