Ernst Jünger und Edwin Hartl

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Zwei alte Männer sind tot. Die deutsche Literatur verlor den 102jährigen Ernst Jünger, die Furche unmittelbar vor Redaktionsschluß ihren Ur-Mitarbeiter Edwin Hartl. Er stand im 92. Lebensjahr und hat bis zuletzt rezensiert. Noch vor wenigen Tagen haben wir mit ihm über seine Augenoperation gesprochen, erst in den letzten Monaten, und auch da nicht immer, darauf geachtet, ihm keine allzu klein gedruckten Bücher zu schicken. Seine Emmanuel-Bove-Rezension "Ein Alpträumer mit Glück" in der Furche (Nr. 5/98) ist noch frisch in Erinnerung.

Jüngers jüngst geäußerter Wunsch, in drei Jahrhunderten, im 19., 20. und 21., gelebt zu haben, ging nicht in Erfüllung. Er starb wenige Wochen vor seinem 103. Geburtstag. Daß er allmorgendlich ein kaltes Bad nehme - "derzeit fünf Grad, das kann natürlich nicht lange dauern, wirkt aber ungemein erfrischend" - versichert er auf einem der nicht allzu alten, anläßlich seines Todes gezeigten Filmdokumente. Ein anderes zeigte den Hundertjährigen betont straff, ganz der alte Frontoffizier, Besuchern wie Francois Mitterrand und Helmut Kohl entgegengehen. Auch Hartl hat den Krieg mitgemacht, naturgemäß - am 6. Juli 1906 geboren - erst den zweiten. Anders als Jünger hat er den Krieg weder geliebt noch verherrlicht, wovon ein nach dem Krieg erschienener Lyrikband Zeugnis gibt. Dafür war er 1946 Mitbegründer der Karl-Kraus-Gesellschaft.

Ernst Jünger war weltberühmt, Edwin Hartl ein Stiller, immerhin 1980 mit dem Staatspreis für Kulturpublizistik Geehrter. Jünger war Literat, Hartl unermüdlicher Literatur-Begleiter. Zwischen Jünger und Hartl lag aber auch die Erlebnis-Zäsur zwischen den Kriegsheimkehrern von 1918 und den damals für den Krieg zu jung Gewesenen, die wir freilich nicht überbewerten sollten. Sie ist weniger wichtig als jene, die, in Jüngers "Frontgeneration", den Verherrlicher der "Stahlgewitter" von den entsetzten Überlebenden, von Kurt Tucholsky, Erich Maria Remarque und wie sie alle hießen, schied.

Ernst Jünger war, wenn auch zumindest bis zu den Nazis Antisemit, ein Nationaler, doch kein Nazi, und er hat zweifellos gelernt - wenn wir auch nicht genau wissen, wieviel. Er hat sich zum demokratischen Deutschland bekannt, doch der Meister der Präzision im kleinen schwieg übers Große seit langem. Vielleicht hätten wir mit Edwin Hartl, diesem Mann des dezidierten Ja und Nein, über Ernst Jünger sprechen sollen. Wir haben die letzte Gelegenheit dazu verpaßt.

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