7059000-1991_28_14.jpg
Digital In Arbeit

Bekenntnisse eines Parteilosen

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht zufällig beginnt Edwin Hartl, der nach jahrelangem Bedrängen vom notorischen Lesereinmai in die Rolle des Autors geschlüpft ist, seinen Erinnerungsband „Wenn ich so zurückdenke“ in Abwandlung des berühmten ersten Satzes von Karl Kraus aus der „Dritten Walpurgisnacht“ mit „Zu mir selber fällt mir nichts ein“. Denn erstens ist Hartls sprachliche Brillanz an dem Sprachpuristen geschult, und zweitens darf man diesen Satz weder bei Kraus noch bei Hartl wörtlich nehmen. Karl Kraus fiel bekanntlich eine ganze Menge zu Hitler ein, auch wenn er es nicht gleich nach dessen Machtübernahme veröffentlichte, und Edwin Hartl läßt in seinem Buch einiges von seiner Person erkennen.

Das Entscheidendste dabei vielleicht seine Parteilosigkeit. Nach einem einmaligen Beitritt zu einer politischen Vorfeldorganisation, nämlich dem „Christlich Deutschen Studentenbund“ am Beginn der zwanziger Jahre, den er wegen dessen Antisemitismus bald wieder verließ, trat Hartl nie wiedereiner politischen Vereinigung bei, geschweige denn einer Partei. Diese an sich schlichte Tatsache war in Hartls Fall prägend. Denn er ließ nicht denken, sondern machte sich stets seine eigenen Gedanken, was ihn vor so manchen Irrtümern unseres Jahrhunderts bewahrte.

Diese kognitive Selbständigkeit prädestiniert Hartl auch zum Zeitzeugen - und vor allem als solcher zeigt er sich hier. Seien es die Veränderungen, die mit den technischen Neuerungen des (damals sobenannten) „Kinematographen“ oder der Inbetriebnahme der RA VAG verbunden waren, oder jenen beim Übergang von der Monarchie zur Republik und von der Republik zur Diktatur, Hartl wußte die Zeichen der Zeit zu deuten. Erfreulich auch für jüngere Leser, denen dieses Buch dringend ans Herz gelegt sei, sind seine sprachlichen „Hintergedanken“ zu einer ironisch zu verstehenden „guten alten Zeit“. Denn mit jedem Wort, das stirbt, wird unsere Sprache, und damit unser Leben ärmer.

Dem Vielleser sind somit viele Leser zu wünschen. Gerade deshalb schmerzt es ein wenig, daß sich der Verlag nicht die Mühe gemacht hat, die computerbedingten Abteilungsfehler zu korrigieren. Hartl hätte sich diese bibliophile Sorgfalt zweifellos verdient.

WENN ICH SO ZURÜCKDENKE. Hintergedanken an die gute alte Zeit. Von Edwin Hartl. Edition Atelier. Wien 1991. 134 Seiten, öS 240,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung