Vom seriösen Forscher zum Mitglied des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP: In der neu aufgelegten Biografie „Konrad Lorenz“ offenbart sich ein faszinierender Opportunist.
Die Anklagen wegen Verbrechen gegen den Frieden beim Nürnberger Prozess wirkten in die Zukunft. Ein Vorabdruck. vom "Der Nürnberger Prozess. Die Richter spielten nicht mit".
Der Politikwissenschafter und Journalist Herbert Lackner stellt im letzten Band seiner Flucht-Trilogie dem „Geist von 1945“ kein gutes Zeugnis aus. Ein Beitrag zur politischen Hygiene Österreichs.
Wie fanatische Nazioffiziere nicht nur die Russen, sondern auch das Christentum in den eigenen Reihen bekämpften, zeigt der Fall des katholischen Majors Rudolf von Stengel.
Die Ankläger hatten ihr Beweisverfahren auf Akten aufgebaut, doch erst durch die Aussagen von Zeugen brannten sich die Verbrechen des NS-Regimes in das kollektive Gedächtnis ein.
„Schirach“ von Oliver Rathkolb ist mehr als nur eine Biographie. Anhand der Figur Baldur von Schirachs wird das Psychogramm des bereits vor Hitler antisemitisch geprägten deutschen Bürgertums gezeichnet.
Erschreckende Fakten, beunruhigende Ausblicke: In seinem neuen Buch widmet sich der Philosoph Richard David Precht der viel diskutierten Automatisierung der Gesellschaft.
Vor 75 Jahren, im August 1945, fand in Wien der erste Volksgerichtsprozess statt – eine Sonderjustiz, die den gewaltigen Komplex der NS-Straftaten abarbeiten sollte.
Santiago Calatrava schlägt Brücken über Flüsse und in die Zukunft des Bauens. Der Künstler hinter den Plänen.Kein lebender Architekt orientiert sich öfter, konsequenter und überzeugender am menschlichen Körper als der Spanier Santiago Calatrava. Das beweisen seine Brückenkonstruktionen. Das lässt sich aber auch in der von ihm entworfenen Flughafen-Bahnstation in Lyon nachvollziehen, deren Betonträger abstrahierte Atlanten sind. Sie sind verfremdete Nachfahren des sagenhaften Trägers des Himmelsgewölbes und Brüder der steinernen Gesellen, auf deren Schultern die Vorsprünge und
Jörg Friedrich beschreibt minutiös den Untergang der deutschen Städte.Wenn der Krieg einmal wütet, hat die Menschlichkeit keine Chance mehr. vHistoriker versuchen sich besser nicht als Dichter, es sei denn, sie hätten die dafür nötigen Fähigkeiten. Jörg Friedrich hat sie nicht. Er war daher schlecht beraten, als ihm für sein Buch über den Bombenkrieg gegen die deutschen Städte, "Der Brand", die Sprache der Fakten nicht genügte und er sich einen literarisch überhöhten, emotional aufgeladenen Stil zurechtlegte. In seiner Diktion wurde die Krypta des Hildesheimer Doms mit dem Sarg
Wie sich István Szabó Wilhelm Furtwängler vorstellt - oder: Große Bilder verkaufen schiefe Gedanken.István Szabó vertritt offenbar eine neue Regie-Philosophie der völligen Gleichgültigkeit gegenüber dem historischen Detail. Anders wäre es wohl unmöglich, dass am Beginn des Films "Der Fall Furtwängler - Taking Sides" in Berlin mitten im Zweiten Weltkrieg in einem festlich beleuchteten Saal bei nicht abgedunkelten Fenstern während eines Bombenangriffs ein Konzert stattfindet. Dass die Scheinwerfer der Fliegerabwehr in die Kirche hinein leuchten statt nach oben auf die Bomber. Kann
Als Georges Simenon den Kommissar Maigret erfand, hatte er gerade 48 Romane in einem Jahr geschrieben. Der genialste Vielschreiber aller Zeiten wurde vor 100 Jahren geboren.Georges Simenon war ein manisch Getriebener, ob er schrieb oder ob er es trieb. 193 Romane und 51 Erzählungen erschienen unter seinem richtigen Namen, rund 200 weitere unter 18 verschiedenen Pseudonymen. In seinen produktivsten Jahren schrieb er 80 Seiten pro Arbeitstag. Er erfand so schnell wie er schrieb, und er schrieb ausdauernder als eine Schreibkraft. Von seinen Büchern wurden über 500 Millionen Exemplare gedruckt.
Perfektionist des kalten Blicks.Er malte Papst Pius XI., Egon Erwin Kisch, die Paradeschauspielerin der Nazis Kristina Söderbaum und, mitunter sehr indiskret, manche nackte oder halbnackte Dame. Aristokraten, Großbürger, Gesellschaftsdamen malte er überrealistisch, dabei mit kühler Distanz, nicht selten an der Grenze zur Karikatur. Diese Bilder führten in den frühen siebziger Jahren zu seiner Wiederentdeckung als wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Christian Schad, von dem die Rede ist, lebte von 1894 bis 1982. Vor seinem Durchbruch zur Neuen Sachlichkeit war er Dadaist und
Angela Völkers Buch zur großen Teppich-Ausstellung des Museums für Angewandte Kunst. Eine der bedeutendsten Sammlungen der Welt im Bild.Die Farben des berühmten seidenen Mamluken-Teppichs, auf dem der Großherzog der Toskana und spätere Kaiser Leopold II. steht, haben noch ihre Tiefe. Zu Füßen des gemalten Kaisers auf dem gemalten Teppich liegt letzterer ganz real. Aber die Farben sehen heute ganz anders aus. Dabei war der Teppich, neben dem "Jagdteppich" der wertvollste des Museums für Angewandte Kunst und möglicherweise der Welt, schon gut 250 Jahre alt, als Johann Zoffani den
Rudolf Augsteins Kommentare, Gespräche und Vorträge.Querschnitt durch ein journalistisches Lebenswerk.Konrad Adenauer hat den Batzen, den ein Vogel auf dem Fenster seiner Toilette im Bonner Bundeshaus hinterlassen hat, höchstpersönlich weggemacht, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dies sei kein Fall für die Putzfrau, sondern für den Fensterputzer, der nur alle 14 Tage komme. Nach dieser Schnurre erwähnt er eine geplante Reise nach Portugal und Rudolf Augstein seine nach Mexiko. Dann möge ihm Augstein "man die Inkas grüßen", meint der Altbundeskanzler.Nachzulesen in Augsteins
Montaignes Reisetagebuch lag 178 Jahre in einer Truhe.Es wurde vielen zum Ärgernis.In seinen berühmten "Essais" weckte Michel de Montaigne den Eindruck, sein Innerstes rückhaltlos preiszugeben. Im "Tagebuch der Reise nach Italien über die Schweiz und Deutschland von 1580 bis 1581" tat er dies wirklich. In den "Essais" gab er sich preis und hielt sich doch bedeckt. Im Reisetagebuch lernen wir ihn besser kennen. Es ist das Protokoll eines intensiven Beobachters und Selbstbeobachters.Kunstvoll baute Montaigne im Essay "Über die Gewohnheit und dass man ein überkommenes Gesetz nicht
Machtmensch im Geistesreich.Ein Buch über Siegfried Unseld.Siegfried Unseld lebte noch, als das Buch "Unseld" von Peter Michalzik erschien. Man darf vermuten, dass es der Kranke nicht mehr in die Hand bekam. Seine Umgebung hielt Unangenehmes von ihm fern, was bei der Debatte über Walsers "Tod eines Kritikers" nur teilweise gelang. Einige Sätze in Michalziks Buch hätten ihn geärgert. Etwa, der junge Unseld habe "nichts von jenen Geistesmenschen an sich" gehabt, die andere Mitarbeiter des Suhrkamp-Verlages "so souverän, spöttisch und kenntnisreich verkörperten." Er sei "literarisch auch
Die andere Perspektive der Geschichtsschreibung.Eben hat der Meisterpsychologe Hitler den Kommandeur der in Stalingrad eingeschlossenen Sechsten Armee zum Generalfeldmarschall ernannt - in der festen Überzeugung, im Besitz dieser Würde werde sich Friedrich Paulus nicht gefangen geben, sondern erschießen. Nun sehen wir ihn auf einer Aufnahme vom Februar 1943 als Gefangenen. Er hat den neuen Rang sofort in sein Soldbuch eintragen lassen und fordert nun entsprechende Behandlung. Zu befürchten hat er ohnehin nichts. Von den 90.000 in Stalingrad gefangenen deutschen Soldaten überlebten nur
Albert Drach: Noch lange kein abgeschlossener Fall. Die Biographie von Eva Schobel.Vor 100 Jahren wurde Albert Drach geboren. Dessen wird an anderer Stelle gedacht. Von seinen Büchern wird anlässlich der neuen Werkausgabe die Rede sein. Hier bleibt die Leistung der Biografin Eva Schobel zu würdigen, die sich an eine besonders schwierige, aber auch besonders dankbare Aufgabe herangewagt und diese souverän bewältigt hat.Sie arbeitet nicht zuletzt Drachs Aktualität in einer Phase heraus, in der sich mehr Menschen als je zuvor der zeitgeschichtlichen Verdrängungen Österreichs bewusst
Ein Bombenteppich alarmierender Fakten über Populisten, Rechtsradikale und Neonazis. Das neue Buch von Hans-Henning Scharsach.Augen rechts!" heisst es bei Hans-Henning Scharsach. Auf dass niemandem entgehe, was sich dort tut. In den Köpfen denkender Leser führt das Bombardement mit Fakten, dem er sie aussetzt, zu einer erhellenden Erkenntnis, wie immer die im Einzelnen aussieht. Druck erzeuge Gegendruck, heißt es. Druck erzeugt aber auch aus Kohlenstoff Diamanten. Und schwarz wie Kohlenstoff sind die Fakten, die Scharsach in seinem neuen Buch "Rückwärts nach rechts - Europas Populisten"
Das überzeugende Romandebüt der Kolumnistin Elfriede Hammerl.396 Seiten voll Witz und Lebensklugheit.Auch sympathische Leute haben nervige Eigenschaften. Die Schwester hat sich ausgerechnet in einen präpotenten Hohlkopf verliebt. Das Töchterlein lastet schlechte Noten grundsätzlich seiner allein erziehenden Mutter an. Der Ehemann, den sie glücklich losgeworden ist, taucht stets im falschen Moment auf. Wenn er seine Geschiedene einmal zum Geburtstagsessen einlädt, reagiert er noch immer fassungslos, weil sie einen anderen Wein trinken will als er, der Göttliche, Einzigartige, sprich:
Wie der Spanienkämpfer Rudi Friemel in Auschwitz heiraten durfte, bevor er aufgehängt wurde. Erich Hackl schrieb ein schmales, aber großes Buch.Das neue Buch von Erich Hackl könnte jederzeit als Roman durchgehen. Die Suche nach den Spuren eines Toten, das Nebeneinanderstellen konträrer Aussagen, der kunstvolle Einbau von Dunkelheiten und Lücken sind als literarische Technik ebenso etabliert wie das Kompositionsprinzip der Collage. "Die Hochzeit von Auschwitz" schildert aber eine reale Begebenheit und das Leben von Menschen, die existierten.Dabei entwickelt die Erzählung einen solchen
Fast ein Nobelpreis für Bernd und Hilla Becher.Nur ein kleiner Keis kennt Bernd und Hilla Becher, doch das könnte sich ändern. Mittwoch dieserWoche überreicht ihnen Prinz Bernhard der Niederlande in Amsterdam den mit 150.000 Euro dotierten Erasmuspreis. Die Ehrung gilt ihrer Lehrtätigkeit an der Düsseldorfer Kunstakademie, aus der weltbekannte Fotografen hervorgegangen sind, vor allem aber einem Lebenswerk, das nur von einer Idee Besessenen unter Opfern und körperlichen Gefahren gelingen konnte.Bernd und Hilla Becher verschreiben sich seit 40 Jahren der Aufgabe, Industrieanlagen und
Otto Köhler will Rudolf Augstein demontieren und demontiert auch gleich sich selbst. Enthüllungen in allzu geballter Ladung.Wollen wir aufrechnen, ob mit Stichtag 8. Mai mehr Menschen befreit oder entmündigt worden sind?" Nicht Ewald Stadler, sondern Rudolf Augstein schrieb diese Un-säglichkeit 1985, noch vor dem Historikerstreit. Kann sich deswegen Stadler darauf berufen, in guter, unverdächtiger Gesellschaft zu sein?Damit ist es wohl Essig, sobald wir das Buch "Rudolf Augstein - Ein Leben für Deutschland" von Otto Köhler aus der Hand gelegt haben - gelesen, wohlgemerkt. Köhler gelang
Peter Lindenthal rekonstruierte nun auch Österreichs südlichen Jakobsweg.Im Mittelalter wurde gewandert, heute wird gewandert, im Mittelalter ging es um Ablass von so mancher Sünde, heute geht es beim Wandern vor allem um Befreiung von den Folgen einer bestimmten Sünde. Erraten, ihr altmodischer Name ist Völlerei. Aber es gibt zum Glück auch heute nicht nur den Zweckwanderer, der mehr den eigenen Nabel beziehungsweise das erhoffte Dahinschmelzen des Fleisches als die Landschaft betrachtet. Es gibt auch nach wie vor den echten, den reinen Wanderer. Er wandert um des Wanderns und der damit
Der Autor von "Schlafes Bruder" vergoldet das trockene Brot der unerwiederten Liebe Robert Schneiders neuer Roman "Schatten".Wer Luxusvillen mit Wörtern errichtet, braucht bei der Dienerschaft nicht zu sparen. Robert Schneider konnte also aus dem Vollen schöpfen und Collin Lamont mit einem Ambiente ausstatten, von dem der verdrückte Tweedanzug, der dreckige Hemdkragen, die lächerliche rote Mütze, der ganze Aufzug eben, in dem er Florence so tief beeindruckt, krass abstechen. Dabei geht es in der elterlichen Villa so vornehm zu, dass kein Familienmitglied den Hörer abhebt, wenn das
Marilyn Monroe ist seit 40 Jahren nicht tot. Kirklands "Nacht mit Marilyn".Anno 1955 alterierte sich Helene Thimig über ein dümmliches Busen-Starlet, das die Frechheit gehabt hatte, den Nachlass Max Reinhardts zu ersteigern. Was so eine denn damit anfangen könne. Die damals noch unterschätzte Schönheit ließ postwendend wissen, sie habe bloß verhindern wollen, dass die Papiere in die Hände von Banausen kämen (so ungefähr drückte sie sich aus). Das von ihr bewahrte wertvolle Konvolut stehe Max Reinhardts Witwe zur Verfügung. Marylin Monroes komplexe Beziehung zur Welt des Geistigen
War der 15. Juli 1927 die Frucht der verbalradikalen sozialdemokratischen Rhetorik? Zu Norbert Lesers neuem Buch, Teil II.Friedrich Austerlitz, der Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung, hatte sich gerade die Empörung über den Freispruch der Todesschützen von Schattendorf von der Seele geschrieben, als eine Delegation der E-Werksarbeiter ins "Vorwärts"-Haus auf der Wienzeile kam. Er konnte ihr keine klare Weisung geben, Otto Bauer ließ sich verleugnen. Man könne die Arbeiter nicht immer zurückhalten, die Bürgerlichen sollten einmal sehen, dass sie sich nicht alles gefallen ließen, es
Mit dem Brand des Justizpalastes begann Österreichs Weg in den Abgrund. Norbert Leser versteht sein neues Buch als Menetekel.Ein schwarzer Tag Österreichs jährt sich zum 75. Mal. Am 15. Juli 1927 brannte der Justizpalast und 90 Menschen starben, die meisten im Kugelhagel der Polizei. Auch völlig Unbeteiligte fielen einer wahren Hasenjagd der durchdrehenden Exekutive zum Opfer. Auslöser der außer Kontrolle geratenen Massendemonstration war der Freispruch dreier Männer, die am 30. Jänner in Schattendorf einen Kriegsinvaliden und ein Schulkind erschossen hatten. Nach der Tragödie
Donna Leon schreibt atmosphärischer denn je.Auch Commissario Brunetti hat Vorurteile, da schauen die Leser von Donna Leon. Auf die Pellestrinos blickt er so hochmütig herab wie jeder stolze Venezianer, wenn auch aus anderen Gründen als seine literarische Mama Donna Leon. Seine Vorurteile sind traditioneller, ihre moderner und tierschützerischer Art. Er hält die Pellestrinos einfach für wenig helle. Sie hingegen lässt durchblicken, jemandem, der ein Leben lang Hekatomben von Fischen umgebracht hat, falle vielleicht auch das Auslöschen eines menschlichen Lebens leichter als anderen. Und
Pan Nalin ist in seinem Dokumentarfilm "Ayurveda" der östlichen Heilkunde auf der Spur.Indiens traditionelle Medizin heißt bekanntlich Ayurveda und fasziniert, wie so viele östliche Heilswege und Heilkunden, auch im Wes-ten viele Menschen. Das Bedürfnis, mehr zu erfahren, wäre also gegeben. Mit Pan Nalins neuem Dokumentarfilm werden freilich vorwiegend Leute viel Freude haben, die längst auf Ayurveda abgefahren sind.Da wäre ein Ayurveda-Arzt, der die Knochenerkrankung eines Kleinkindes in vielen Sitzungen mit viel Geduld und Methoden, die sich offenbar gut bewährt haben, immer weiter
Die Geschichte der zwei Monate, in denen Vincent van Gogh und Paul Gauguin gemeinsam malten.Vincent van Gogh und Paul Gauguin im "gelben Haus" in Arles: Staatsmänner, Geistesgrößen, gekrönte Häupter, Leuchten der Wissenschaft haben einander im 19. Jahrhundert zu Tausenden getroffen und die meisten ihrer Treffen sind vergessen, doch die Zusammenkunft zweier Maler, eines völlig Unbekannten und eines, über den man schon redete, ging in die Geschichte ein. Sie wurde zu einer Legende, die noch das übernächste Jahrhundert beeindruckt. Ob dieser Legende auch ohne Vincents verstümmeltes Ohr
Das Gestrüpp von John Irvings Einfällen wuchert so üppig wie der Beziehungsdschungel seiner neuen Hauptfigur.Sonderberichterstatter Patrick Wallingford fliegt nach Japan, um wenige nichtssagende Minuten über eine Tagung über die Zukunft der Frau zu drehen, er wird nach Berlin gehetzt, weil ein Verrückter einen Hund in die Luft gesprengt hat, er soll nach Australien eilen, wo sich ein Computertechniker auf Grund einer Wette zu Tode gesoffen hat, man will ihm sogar zumuten, eine Reportage über einen Soldaten zu machen, der beim Wettspucken vom Balkon gefallen ist. Als Alternative käme
Ein großer österreichischer Expressionist.Der Maler Anton Kolig (1886 - 1950) hat Tausende Briefe geschrieben, die demnächst veröffentlicht werden sollen. Noch wichtiger ist die große Monographie, der Überblick über das Werk. Sie belegt, herausgegeben von Otmar Rychlik, mit Beiträgen von ihm und mehreren Autoren, Bedeutung und Eigenständigkeit eines Malers, der mitunter in zu große Nähe zu Kokoschka gerückt wurde. Bei der Betrachtung manchen Bildes kann man freilich die Vermutung Richard von Schaukals nachvollziehen, dass 16 bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Frankreich
Selbstherrlichkeit, Geheimniskrämerei, Dogmatismus, rüde Machtausübung: Nobelpreisträger Stiglitz liest dem Internationalen Währungsfonds die Leviten.Steckt der IWF, der Internationale Währungsfonds, etwa auf irgend eine Weise hinter dem Vorschlag, den ausgeglichenen Staatshaushalt in Österreichs Verfassung zu verankern? Das fragt man sich, wenn man das Buch "Die Schatten der Globalisierung" des Nobelpreisträgers für Wirtschaftswissenschaft des Jahres 2001, Joseph Stiglitz, liest. Jedenfalls machte der IWF Druck auf Thailand, Südkorea und andere asiatische Staaten, einen solchen
Ein großer Roman über eine unbarmherzige existentielle Situation - und über das Innenleben eines Teenagers: "Über Raben" von Paulus Hochgatterer.Hoch oben in einer auch für einen exzellenten Kletterer nur mit einem kalkulierten Risiko zugänglichen Wand hat der einsame Mann in einer Höhle seine Hängematte angebracht. Seine Kniegelenke konnte er nur mit etlichen Voltaren-Bomben zum Durchhalten bewegen, die ersten Anzeichen des einen oder anderen Muskelkrampfes mit Magnosolv vertreiben (da merkt man, dass der Autor Arzt ist), nun schwillt die rechte Hand immer mehr an und vor dem
Der Kenntnisstand von 1945 genügt, um zu wissen, dass die Wehrmacht, nicht aber die Mehrheit der Soldaten Verbrechen begangen hat. Über die Reaktionen auf die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht".
Verhaltensforschung und Ultraleichtflugzeug ermöglichten einen großartigen Naturfilm - und einen Bildband der SonderklasseWer "Das sogenannte Böse" von Konrad Lorenz gelesen hat, weiss: Erblickt ein schlüpfendes Graugans-Küken einen Menschen, ist es "auf ihn geprägt", hält ihn für seine Mutter und läuft ihm Zeit seiner Kindheit nach. Fährt im entscheidenden Moment eine Spielzeuglok vorbei, ist das arme Tier eben auf das lärmende Blechspielzeug fehl-"geprägt". Jacques Perrin prägte auf seinem Landgut in der Normandie gleich die Küken von 24 Vogelarten, Kraniche, Schwäne, Enten
Alexander Ikonnikow bringt das heutige russische Leben unglaublich witzig und unglaublich brutal auf den PunktDas Buch "Taiga blues" von Alexander Ikonnikow hilft Wodka sparen, weil einem dabei auch so die Tränen kommen. Etwa ob des Schicksals, mit dem der stockbesoffene Rettungsarzt Sergej Nikolajewitsch hadert, nachdem ihn das Rettungsauto, scharf bremsend, kurz vor Morgengrauen an der Bar abgesetzt hat.Die Erzählungen von Alexander Ikonnikow haken alle bei irgendeiner mehr oder weniger grotesken, absurden Situation im großen Russland an, die meist eine völlig alltägliche Situation ist
Zu begabt für eine Familie: "Die Royal Tenenbaums"Und die Moral von der Geschicht': Fördert eure Kinder nicht. Jedenfalls nicht zu sehr. Royal Tenenbaum hat ein Finanzgenie, eine gefeierte Dichterin und einen Tennisstar gezeugt, und was hat er nun davon?Ihre mit allen Mitteln zur Blüte gebrachte Begabungen sind schon im zartesten Kindesalter explodiert, worauf die ganze Familie in die Luft flog. Auch ihre Neurosen sind nämlich etwas Besonderes, es sind Neurosen wie Dynamit. Zeitsprung, 20 Jahre nach vor: Nach dem Aufstieg des gewesenen Millionärs Royal Tenenbaum in schwindelnde Höhen als
Wie der Nürnberger Prozess nach 55 Jahren plötzlich wieder aktuell wurde.Das Bild, das die Angeklagten bieten, ist äußerst widersprüchig. Ist die Reue, die ein Teil zeigt, echt? Verbergen die Trotzigen ihr Schuldbewusstsein oder begreifen sie noch immer nichts von der Schuld, die sie auf sich geladen haben? Sie haben keine Chance, die von den Nazis begangenen Verbrechen abzuleugnen oder zu beschönigen. Und dies begreifen sie schnell. Ziemlich am Anfang des Prozesses wird im Gerichtssaal ein Film gezeigt: nach Kriegsende entstandene Dokumentarfilme alliierter Kameramänner und
"Der Bildverlust": Peter Handke zwischen Manier und ManieEin Wundertier bricht auf. Die berühmt-berüchtigte Bankmanagerin hat nicht nur enorme Macht. Sie war auch der Star eines Films, "der immer noch in bestimmten Kinos nicht nur in Europa gezeigt wurde, auch in Zwischenschnitten während ihrer Televisionsauftritte", hat nicht nur Ginevra, die Frau des Königs Artus gespielt. Sie verfügt auch über magische Fähigkeiten. Mit Bildern, die ihr zufliegen, hält sie sich "die Angreifer nicht bloß vom Leibe. Sie schlug damit zurück. ... Mit den Bildern hatte sie es in der Hand, den anderen
Auch der junge Nabokov verstand es bereits gut, zu unterhalten und zugleich zu irritieren.Vor einem roten Schloss grünte eine von prächtigen Ulmen umstandene junge Rasenfläche. Am frühen Morgen glättete sie der Gärtner mit einer steinernen Walze": Große Prosa, die so anhebt, konnte nach den zwanziger- und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wohl kaum mehr entstehen. Viel früher aber auch nicht. Dies wiederum lässt uns nämlich das köstliche Bild "Magor räusperte sich, bleich wie ein Embryo in Spiritus" vermuten. Ein "riesiger schwarzer, nagelneuer Rolls Royce", dem im
Der große Nürnberger Prozess gegen die deutschen "Hauptkriegsverbrecher" begann am 20. November 1945, dauerte zehn Monate und endete mit 12 Todesurteilen, sieben Haftstrafen von zehn Jahren bis Lebenslang und drei Freisprüchen.Jahrzehntelang wurde vom Nürnberger Prozess kaum gesprochen. Nun ist er wieder in aller Munde. Er nimmt dem Verfahren gegen Slobodan MiloÇsevi´c seine unangenehme Erst- und Einmaligkeit. Man tut sich leichter, wenn man auf ein Vorbild verweisen kann. Damit teilt dieser Prozess das Schicksal vieler großer Ereignisse, aber auch historischer Persönlichkeiten. Man
Günter Grass über den Untergang der "Wilhelm Gustloff"Dann und wann schlägt die Klaue des Löwen zu: "Nichts schließt besser als ein Kopf." Oder, noch schärfer: "Da ist es wieder, das verdammte Datum. Die Geschichte, genauer, die von uns angerührte Geschichte ist ein verstopftes Klo. Wir spülen und spülen, die Scheiße kommt dennoch hoch. Zum Beispiel dieser vermaledeite Dreißigste ... auch wenn es so aussah, als habe sich das bis kurz vorm Platzen gemästete Datum im Verlauf der Jahre verschlankt, sei nun harmlos, ein Kalendertag wie viele andere geworden. Wir haben ja Wörter für
Wenn es um den Überblick über die Fülle der westlichen und östlichen Wellness-Angebote geht, läuft ohne Internet so gut wie nichts mehr.Ein kurzer Blick ins Internet konfrontiert den Menschen auf der Suche nach Wohlbefinden mit der vollen Qual der Wellness-Wahl. Oder positiv gesprochen mit der Fülle der auf dem Felde der Wellness sprießenden Möglichkeiten. Dabei erfährt man aber auch einiges über die Globalisierung der Methoden, durch entsprechende Ernährung, Körperbeherrschung, Meditation und so weiter positive Rückwirkungen auf den gesamten Menschen zu erzielen. Ayurveda, die
Wellness ist ein noch verhältnismässig junger MarketingBegriff. Er umfasst alles, was mit Ausspannen, Wohlfühlen, Sich-Besinnen auf eine andere Ernährung, auf eine gesündere Lebensweise, aber auch auf geistige Werte und mit Einkehr zu tun hat. Wellness ist aber auch ein semantisches Dach für ein neuartiges Zugehen kirchlicher Stellen auf den Menschen.Einst ging man ganz einfach auf Kur. Tauchte nicht nur tief ins heilende Wasser oder ließ sich nach den Regeln des Pfarrers Kneipp kalt begießen, sondern tat auch wandernd weiteres für seine Gesundheit. Berge besteigend zum Beispiel,
Von den Hürden, die auch der Schmerz nicht überspringtDie Handlung ist so karg wie die Landschaft. Irgendwo in Afghanistan ist der alte Mann Dastagir mit seinem Enkel Yassin unterwegs zu seinem Sohn, um diesem das Schwert des Schmerzes ins Herz zu stoßen und ihm zu berichten, dass ihr Dorf vernichtet und die schwangere Frau des Sohnes mit der gesamten übrigen Familie umgekommen ist. Nur der alte Mann und das Kind haben überlebt. Sehr viel mehr erfahren wir auch nicht. Doch die Lobeshymnen der französischen Zeitungen sind berechtigt. "Erde und Asche" von Atiq Rahimi ist tatsächlich "ein
Eine neue Erklärung für den Einbruch der LebendigkeitWer sich im Metier auskennt, kommt am ehesten hinter die Schliche der Konkurrenz. David Hockney hat die Pop Art mit begründet, zählt zu den herausragenden Malern der Gegenwart - und schrieb nun ein kunsthistorisches Buch. Er bietet darin die frappante Lösung eines kunsthistorischen Rätsels an, das bisher als solches noch gar nicht in seiner vollen Rätselhaftigkeit erkannt worden ist.Im frühen 15. Jahrhundert kam es plötzlich zu einer tiefgreifenden Veränderung der Malerei. Zu einem Quantensprung der Präzision und Lebendigkeit.
Die Fotografien von Wim Wenders verweigern sich jeder Geschwätzigkeit.Den verwilderten Garten der verlassenen Farm mit dem eingezäunten Tennisplatz, den Tennisplatz, aus dessen rotem Aschenboden Birken wuchsen, den Schiedsrichterstuhl, auf dem Vögel nisteten, hat Wim Wenders nicht fotografiert. Fotografiert hat er die steinige Piste, die zur verlassenen Farm in West-Australien führte. Auf viereinhalb Meter Länge ließ der deutsche Filmregisseur das Negativ seiner alten Panoramakamera vergrößern, ein Feldweg ins Nichts, vom Vordergrund bis zum Horizont braunes, steiniges Nichts unter
Die Werke, die Paul Klee für seine wichtigsten hielt.Das jüngste Buch über Paul Klee versammelt zwar eine repräsentative Auswahl herausragender Werke aus der wichtigsten Schaffensperiode (1917 bis 1933), doch damit wird noch kein neuer Zugang zu diesem Künstler eröffnet, dessen Produktivität angesichts eines Lebenswerks von fast zehntausend Arbeiten nur mit der eines Picasso verglichen werden kann. Was der Publikation ihren besonderen Reiz verleiht, ist das zentrale Kriterium der Auswahl: Es handelt sich hauptsächlich um Arbeiten, die Paul Klee selbst als besonders wichtig eingestuft
Das Buch verlässt die Luxus- meilenNicht grapschig, sondern kennerisch geht es zu beim Abverkauf der letzten Bücher in der Buchhandlung Gerold am Wiener Graben. "Pardon, der Stoß gehört schon mir." "Ach so. Verzeihung. Schade, dass es den Cervantes nicht noch einmal gibt." "Nehmen Sie den Borges, der ist auch schon tot." Buchkäufer unterscheiden sich auch beim Ausverkauf von Fetzenjäger & Co. Alles zum halben Preis. Aber ohne die obligaten dümmlichen Slogans. Weiße Blätter, mit der Hand beschrieben, an die Scheiben geklebt, tun es auch. Was nichts am traurigen Anlass der Frohbotschaft
Hieronymus Bosch malte, was auch den heutigen Menschen bedrängt.Hoch oben auf der Innenseite des rechten Flügels schweben sie dahin und schauen nicht so drein, als wüssten sie, wohin der Ritt auf dem Fische geht. Fischmündig der Mann, von dumpfem Entsetzen der Gesichtsausdruck der Frau - oder doch eher von entsetzlicher Dumpfheit? Adam und Eva anno 1501, oder 2001, die grandiosen Bilderfindungen Hieronymus Boschs berühren uns nicht weniger als die Zeitgenossen. Ihr Herdfeuerchen haben die Leutchen immerhin an einer langen Stange dabei. Ein kleiner Trost. Doch die Zeit, in der Bosch lebte,
Er schien wohl an einem Höhepunkt seines Lebens angelangt, was äußere Ehren betraf, als der PDS-Abgeordnete Stefan Heym als Alterspräsident des deutschen Bundestages ans Rednerpult trat. Seinem Plädoyer für die Toleranz schlug Missachtung entgegen. Ein Teil der deutschen Parlamentarier hat damit weder Großmut noch Stil bewiesen. Der Dichter Stefan Heym, der am vergangenen Sonntag mit 88 Jahren in Israel während einer Heinrich-Heine-Tagung einem Herzversagen erlag, war ja kein Träger des DDR-Regimes gewesen, sondern bestenfalls eine geduldete literarische Galionsfigur. Der
Das einst allgegenwärtige Monarchie-Kartenwerk als ReprintDer Atlas, über den sich unsere Urgroßeltern beugten, um Vaterlandskunde zu büffeln, wie es damals hieß: Jetzt ist er wieder da. Funkelnagelneu. Viel besser gebunden als 1911, nämlich gar nicht gebunden, sondern im roten Einband mit Goldprägung verschraubt, um Blätter entnehmen zu können. Es handelt sich um einen Reprint zum 30. Geburtstag des Archiv-Verlages.Der Urenkelgeneration sind Überraschungen sicher: Wie sich das Umfeld der großen Städte geändert hat! Diese unverbauten Räume! Und was alles zu Österreich gehört
Rolf Haybach: Diese Biographie war fällig!Zwischen der Wiener Medizin und den Künsten besteht ein altes Nahverhältnis. Ärzte musizieren, dichten, malen, nun schrieb die Ärztin Gerlinde Michels ein Buch über Rudolf Haybach. Diese Biographie war längst fällig. Haybach war nicht nur ein spät berufener, aber interessanter Maler. Als erster und längere Zeit einziger Verleger Heimito von Doderers war er auch das, was der Untertitel des Buches über ihn sagt: "Eine Schlüsselfigur der österreichischen Kulturgeschichte". (Nach der Liquidierung seines eigenen Verlages motivierte er den
"Wenn ein großes Schiff sinkt, werden einige Menschen mitgerissen": Leben im Schatten eines despotischen GeniesWenn es Seezunge gibt, legt Paulo grundsätzlich die Gabel weg und isst mit den Fingern, denn alles, was die überlebensgroße Vaterfigur tut, ist richtig, und die überlebensgroße Vaterfigur isst Seezunge mit den Fingern. Die überlebensgroße Vaterfigur findet es lächerlich, sich die Nägel zu feilen, sie schleift sie sich an einer Mauerecke ab. Ein Leben lang tut Paulo, der Sohn, desgleichen, und seine kleine Tochter Marina läuft rot an und wird ganz krank vor Scham, wenn sie
Nageln wie die Profis, sch... wie die Profis?Was hat die Dummheit mit einem Eisberg gemeinsam? Erraten: 90 Prozent von ihr bleiben unsichtbar. Unter der Wasseroberfläche. Tückisch wie der Eisberg, der die Titanic aufschlitzte, in ihrem, der Dummheit Kampf gegen das bescheidene Pflänzchen Intelligenz. Dieser Kampf aber währt, seit der Mensch zu denken versucht. Allzu weit ist er damit ja noch nicht gekommen, was uns am schlagendsten nicht die Werbung, sondern die Politik beweist.Aber die Werbung tut ihr Möglichstes. Sie betreibt Verblödung wie die Profis, wer die wohl sind? Derzeit ist
"Displaced - Paul Celan in Wien": Eine Ausstellung dichtester Atmosphäre im Jüdischen Museum.Fünf kostenlose Pflichtstücke für die Bibliotheken, 90 Schilling Erlös für die neun verkauften Exemplare, 56 Schilling Vergütung für das Altpapier der 320 auf Verlangen des Dichters eingestampften Exemplare, da der Band voll der "Druckfehler von der entsetzlichsten Sorte" gewesen war, wie er in einem Brief schrieb: So sah die Abrechnung über den Gedichtband "Der Sand aus den Urnen" von Paul Celan aus, seine erste Lyrikpublikation, eine der wichtigsten deutscher Sprache der frühen
Walter Rauschers exemplarischer Vergleich zweier Systeme.Wie standen Adolf Hitler und Benito Mussolini zueinander? Ein faszinierendes Thema. Walter Rauscher, Biograph Renners und Hindenburgs, bietet allerdings nicht die Geschichte einer Beziehung, sondern weniger und zugleich mehr. Nämlich die parallele Darstellung zweier Führerstaaten und ihrer Diktatoren, die er an ihren Berührungspunkten in Beziehung setzt und miteinander verknüpft.Das bedingt eine gewaltige Materialfülle, aus der man die Beziehunsgeschichte herauschälen darf. Es steht dafür. Wer Rauscher gelesen hat, wird nicht mehr
Ein winziger Ausschnitt aus dem schier unüberblickbaren Bücherangebot dieses Herbstes: Zwei Romane, ein Band mit bösen Weihnachtsgeschichten, ein gewichtiges zeitgeschichtliches Werk, Bildbände.Schlechte Zeiten sind immer gute Zeiten für das Buch", meinte Herbert Fleißner, der Inhaber eines der größten deutschen Verlagsimperien, auf unsere Frage, wie er die wirtschaftliche Zukunft des Buches in nächster Zeit einschätze. Man könne es nachprüfen. Es habe in der Weltwirtschaftskrise und auch die ganze Nachkriegszeit hindurch gestimmt: "Wenn es den Menschen nicht so gut geht und sie
Bernhard Schlink, der Autor des Welterfolges "Der Vorleser", schrieb einen neuen Krimi mit aktuellem Hintergrund.Der Krimi mit politischem oder zeitgeschichtlichem Hintergrund: Dieses Metier ist derzeit besonders beliebt und behauptet sich glänzend auf dem Markt. Donna Leons Commissario Brunetti löst Fall auf Fall, hat aber keine Chance gegen die tausendköpfige Hydra der Korruption. Aber auch die Leichen im Keller melden sich jetzt immer deutlicher. Bei Eva Rossmann klärt eine Journalistin einen im Wiener Freud-Museum begangenen Mord auf, wobei es um versunkene und vergessen geglaubte
"Die Tochter" von Jessica Durlacher: Eine große Liebe und eine neue Kultur des Erinnerns.Sabine ist mit ihren Obsessionen und ihrer Unberechenbarkeit für Max eine Sphinx. Max und Sabine sind einander vor 15 Jahren in Amsterdams Anne-Frank-Haus begegnet. Rückblende auf den Auftakt einer amour fou, einer Anziehung von solcher Wucht, dass es keine Gegenwehr gibt. Wiederbegegnung nach langer Zeit. Neue Trennung, Verzweiflung, Verwicklungen, überraschende Lösung der Rätsel um Sabine. Die Sphinx ist endlich Mensch.Jessica Durlacher hatte 1997 mit dem Roman "Das Gewissen" in Holland sofort
Mit den Worten "Schlafen S' in der Hängematt'n" könnte ein Film über Ilse Aichinger beginnen. Die Dichterin, die am 1. November 80 Jahre alt wird, war im Kino, als 1939 der Krieg ausbrach; das Kino war einer ihrer Lebensmittelpunkte und ist es noch heute. Filme spielen in ihrer Phantasie eine wichtige Rolle, und "Film und Verhängnis - Blitzlichter auf ein Leben" heißt auch ihr jüngstes, autobiographisches Buch.Mit oben zitiertem Satz lehnte 1945 - nach der Befreiung - ein Beamter des Wiener Wohnungsamtes die Zuweisung eines Ersatzes für die ab 1938 enteigneten Wohnungen ab. Am
Robert Menasse flocht aus einem starken und einem schwachen Roman einen Zopf.Wer "Die Vertreibung aus der Hölle" von Robert Menasse liest, wird Wechselbädern ausgesetzt, aber nicht zwischen Heiß und Kalt, sondern zwischen Heiß und Lau. Zwei Handlungen werden parallel vorangetrieben, die eine so konsequent, dass die von der katholischen Kirche zur höheren Ehre Gottes angerichteten Qualen und Blutbäder dem Leser keine Flucht in irgendeine reservatio mentalis gestatten. Die andere schleppt sich auf etwas unentschlossen wirkende Weise dahin und verläuft sich im Ungefähr.Das hat wohl gute
Totentänze von der Antike bis heute: Die Untoten hatten es den Lebenden immer schon angetan.Totentänze überall in Europa. Hans Holbein d. J. lässt 1534 den Tod den Papst grade in dem Moment holen, da ihm der Kaiser die Füße küsst. Abraham a Sancta Clara sorgt 1677 in seiner Eigenschaft als Geistlicher Vater der Wiener Totenbruderschaft dafür, dass der Tod nur noch Hand an eine Säule mit der Tiara legt, aber nicht an Seine Heiligkeit höchstselbst, was man als (in Italien zu der Zeit bereits gängige) Antwort auf den Totentanz des Protestanten Holbein verstehen darf. Auf einem
Einer Reihe etwas schwächerer Werke folgte nun ein Buch ohnegleichen, ein Kosmos, ein singuläres Leseabenteuer.Baudolino", der neue Roman von Umberto Eco, reiht sich würdig an den "Namen der Rose", einen der größten Bucherfolge der letzten Jahrzehnte. "Baudolino" spielt aber nicht in der abgeschlossenen Welt einer Abtei und ist kein neuer Mittelalter-Krimi. Eco treibt seine Hauptfigur kreuz und quer durch die Welt des zwölften und beginnenden dreizehnten Jahrhunderts und noch weit darüber hinaus, bis zu den Fabelwesen und an die Pässe, hinter denen das legendäre Reich des Priesters
Reichstagsbrand, World Trade Center: Wo sich die Bilder gleichen - und wo sie es überhaupt nicht tun. Die Tagebücher von Georgi Dimitroff.Der Gefangene notiert noch am Tag seiner Verhaftung, dem 9. März 1933, was man ihm abgenommen hat: Aktentasche, Uhr, Brille, Füllfeder, ein mexikanisches "Portmone" mit Ehering, einen silbernen Bleistift, zwei kleine Messerchen, ein kleines deutsch-französisches Wörterbuch, einen Kamm, eine Pfeife, vier Zigarren, 200 Zigaretten, 250 Reichsmark und zehn Dollar. Man hat ihm Handfesseln angelegt, doch Brille, Feder und Pfeife werden zurückgegeben. Nach
Ein deutsches Buch hatte entweder DM 29,90 oder 39,90 oder 49,90 zu kosten. Wie es der Umrechnungsteufel will, werden jetzt aus den notorischen Knapp-unter-Preisen der deutschen Verlage lauter Euro-Preise knapp über dem runden Betrag. Wir Österreicher haben es besser: Die DM-Umrechnung des Buchhandels ließ für die deutschen Bücher sowieso keine runden Preise zu, und die österreichischen Verlage gruben den deutschen mit runden Preisen auch kein Wasser ab. In Deutschland aber lautet die bange Frage: Soll man auf 20 oder 30 oder 40 Pfennig verzichten, um die Buchpreise wieder unter die
Der Architekt zwischen Ratio und Transzendenz: Zwei Bücher über einen Überlebensgroßen.Ein Vordenker der österreichischen Ökologiebewegung ging vor Jahren mit Le Corbusier so emotional ins Gericht, dass es wie ein Aufstand der Lodenbataillone gegen die Moderne klang. Doch Corbusiers kubischer Klubfauteuil und seine "Chaise longue" geniessen Kultstatus. Sage mir, wie du zu Corbusier stehst, und ich sage dir, in welchem Jahrhundert du lebst: Noch in den fünfziger Jahren markierte dieser Spruch eine Epochenwende. Zwei neue Bücher markieren hingegen den Bruch in Person und Werk, der, wie
Die Kathedrale von Chartres, exemplarisch in Wort und Bild.Dem Fotografen Claude Sauvageot verdanken wir drei Bücher voll neuer Blicke auf die Kathedralen von Chartres, Reims und Straßburg. Die Bände behandeln Bauten und Kunstwerke auf jüngstem Stand. Auf letztere zwei werden wir zurückkommen, aus der Monographie über Chartres greifen wir einen Gesichtspunkt heraus: Die Fenster, die als weitgehend geschlossener Bestand überdauerten. Ein einmaliger Glücksfall.Wobei sich längst als Täuschung erwies, dass uns diese Fenster denselben Eindruck vermitteln wie denen, die sie als erste
Wie "Der Mönch im Garten" den Mechanismus des Lebens enträtselte: Ein großes Buch, das jeden von uns betrifft.Die blaue Lokomotive der Great Eastern Railway rattert London entgegen. In einem der mit Samt und Leder ausgeschlagenen Abteile sitzt ein 40-jähriger Zoologe und hat keinen Blick für die lieblichen Hügel. In höchster Aufregung verschlingt er einen 44 Seiten langen Artikel, der vor 35 Jahren in einer österreichischen Provinzzeitschrift erschienen ist. William Bateson fährt von Cambridge nach London, wo er am Abend in der Royal Horticultural Society einen Vortrag halten soll.
Wie der ehemalige Hitlerjunge Gerhard Amanshauser zu seiner Verweigerungshaltung kam: Nicht-Reflexion als Lebensprogramm?Als Barbar im Prater" nennt Gerhard Amanshauser sein neues Buch. "Autobiographie einer Jugend": Der Untertitel provoziert die Frage, ob sich die Jugend des Salzburger Autors hingesetzt und unter Umgehung des lebenden Amanshauser selbst beschrieben habe. Hat man das schmale Buch gelesen, stellt man fest, dass der Untertitel den Inhalt treffend charakterisiert. Der Autor scheint mehr von sich selbst preiszugeben, als ihm bewusst ist. Tatsächlich handelt es sich um die
Alles, was wir über Matthias Grünewald noch wissen.Goethe hätte Matthias Grünewald wohl abscheulich gefunden. Noch im Brockhaus von 1824 ist ja selbst der Abschnitt über Michelangelos "Jüngstes Abendmahl" nicht gerade ein Verriss, aber äußerst distanziert. Da erst Grünewald. Diese Expression. Dieser physische Schmerz des Gekreuzigten, diese verschwollenen, verkrusteten Zehen am vom Nagel durchbohrten Fuß, diese langen, dünnen, weggespreizten Finger, und diese den Antonius versuchenden Höllenwesen, die es mit Hieronymus Bosch aufnehmen. Da ist nichts gemessen, nichts klassisch, das
Eine Breitseite gegen die dunkle Seite des Pharmageschäfts: Vielversprechender Abschied vom Genre des Agentenromans.John le Carré schriebe wohl noch heute Agentenromane, wenn der Ostblock nicht zusammengebrochen wäre. Wenn der Agentenkrieg zwischen Sowjetunion und USA nicht auf eine Dimension geschrumpft wäre, die ihn für einen Autor wie diesen einfach uninteressant macht. Gewiss bespitzeln sie einander nach wie vor, horchen einander ab auf Teufel komm raus, vor allem die USA alle anderen. Nicht, dass die Russen nicht wollten, wenn sie könnten. Aber ihre technischen Möglichkeiten hinken
Was haben die Absender vieler Einladungen, die einem auf den Tisch flattern, mit den Wiener Verkehrsbetrieben gemeinsam? Erraten, sie können sich nicht ausdrücken. Oder es ist ihnen egal. Dabei lieben wir sie so, unsere von der Kommunikation und für die Kommunikation lebende, pausenlos von der Kommunikation daherlabernde Kommunikationsgesellschaft. Bloß: Wenn man auf die Kommunikation angewiesen wäre, steht man an. Dieser Tage zum Beispiel, als in den Labyrinthen der Wiener U-Bahn Gasgeruch fest- und der Betrieb eingestellt wurde. Klar, es gab einen Schienenersatzverkehr. Doch auf dem
Es ist eine besondere Sache mit der klammheimlichen Freude. Sie kann nämlich eine legitime, aber auch eine hundsgemeine Freude sein. Seit dem Bekenntnis eines deutschen Terroristen-Sympathisanten, er habe über die Erschießung des entführten Hanns Martin Schleyer eine klammheimliche Freude empfunden, geistert das Wort durch die Medien. Klammheimliche Freude ist die anrüchige Freude ob der Schrecklichkeiten, die anderen widerfahren. Solchen, die man nicht mag. Und die Freude über die Erschießung eines Entführungsopfers ist unter allen Umständen eine hundsgemeine, durch und durch miese
Ein neuer Lesesommer steht bevor. Wir besprechen Romane,
Reiseliteratur, Krimis, Abenteuerliches und Bildbände. Der Sommer
ist ferner einegute Zeit zum Wiederlesen so manchen Buches, das
manhalb vergessen hat. Auch die Geschichte der Philosophie ist
voller Krimis: Hat Wittgenstein Popper wirklich mit dem Schürhaken
gedroht?
Wirtschaftstreibende brüsten sich gern mit Kunst und Geist und spielen sich als Mäzene auf. Oder meinen es mit dem Mäzenatentum sogar ernst. Ob und wie ernst sie es meinen und was sie mit der Kunst wirklich am Hut haben, merkt man erst dann, wenn es sich mit dem Kunstwerk nicht mehr brüsten lässt. Im Donauzentrum, dem großen Einkaufsparadies jenseits der Donau, ging dieser Test vorerst negativ aus.Seit Monaten ist das prächtig umgebaute Donauzentrum mit seinen neuen Rolltreppen zum neuen Obergeschoß mit seinen prächtigen neuen Läden nun in Betrieb. Genau so lange steht die mannshohe