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Ein Bombenteppich alarmierender Fakten über Populisten, Rechtsradikale und Neonazis. Das neue Buch von Hans-Henning Scharsach.

Augen rechts!" heisst es bei Hans-Henning Scharsach. Auf dass niemandem entgehe, was sich dort tut. In den Köpfen denkender Leser führt das Bombardement mit Fakten, dem er sie aussetzt, zu einer erhellenden Erkenntnis, wie immer die im Einzelnen aussieht. Druck erzeuge Gegendruck, heißt es. Druck erzeugt aber auch aus Kohlenstoff Diamanten. Und schwarz wie Kohlenstoff sind die Fakten, die Scharsach in seinem neuen Buch "Rückwärts nach rechts - Europas Populisten" auf den Leser herunterprasseln lässt. Hoffen wir also auf den einen oder anderen Diamanten der Erkenntnis.

Die Fakten belegen die Gefährlichkeit der Populisten. Der Autor unternimmt aber auch die überfällige Klärung der Begriffe. Populismus, Rechtsradikalismus, Neonazismus werden genauer als je zuvor definiert und von einander abgegrenzt. Gerade weil die Phänomene einander zum Teil gleichen und auch überschneiden, ist dies so wichtig. Das Ergebnis bedeutet keine Herabstufung der Populisten auf der Skala der Gefährlichkeit. Im Gegenteil: Auch dort, wo sich etwa der Populismus klar von Neonazismus und Neofaschismus abgrenzen lässt, sind die gemeinsamen Merkmale frappierend.

Droht den westlichen Industriestaaten ein schleichender Systemwechsel? Drohen neuartige Strukturen, in denen Grundrechte zurückgenommen werden? Sie würde nie wieder in die USA fahren, nicht einmal für wenige Tage, erklärte vor wenigen Tagen Donna Leon, die in Italien lebende amerikanische Krimi-Autorin mit dem wachen politischen Sinn, einer Wiener Zeitung. Ob denn in Berlusconis Italien die Zustände so viel besser seien als in Amerika, wandte die Interviewerin ein. In Italien, antwortete die Leon, würden wenigstens noch Zeitungen gegen Berlusconi schreiben und Hunderttausende gegen ihn demonstrieren. In den USA, wo neuerdings jeder Ausländer ohne Rechtsmittel beliebig lang eingesperrt werden könne, krähe kein Hahn ob eines so massiven Eingriffes in die Menschenrechte und alle Medien sagten und schrieben dasselbe.

Scharsach beschränkt sich auf Europa. Wer sein neuestes Buch gelesen hat, muss sich aber fragen, ob Italien auf dem Weg zu einem autoritären Staat neuer Prägung allen anderen nicht schon ein Stück voraus sei. Hätte sich Italiens Ministerpräsident nicht in die Politik gerettet, säße er längst im Gefängnis, wurde er doch mehrmals zu Haftstrafen verurteilt. Scharsachs Fakten lassen den Vergleich von Berlusconis Führungsstil mit dem Saddam Husseins nicht überzogen erscheinen. Er führt den Staat wie seinen Privatkonzern. Er demontiert den Rechtsstaat. Aussagen, die seine Verfilzungen mit der Mafia belegen, ignoriert er nicht einmal. Er wirft einen Außenminister, der eine eigene Meinung zu haben wagt, hinaus und übernimmt dessen Ressort. Er lässt sich nach Maß Gesetze schneidern, die ihn praktisch dem Strafgesetz entziehen. Er erhöht die Prämien für die Autohaftpflicht, wodurch sich der Gewinn der ihm gehörenden Versicherungsgesellschaft verdoppelt.

Er lässt die staatlichen Gelder für die politischen Parteien verdoppeln und sorgt mit Hilfe der Lega Nord für ein Gesetz, wonach Parteien, die dieser Erhöhung nicht zustimmen, von der Erstattung der Wahlkampfkosten gleich völlig ausgeschlossen werden. Seine eigenen Fernsehstationen verkünden nur noch seinen Ruhm, die Opposition kommt in ihnen nicht vor und im staatlichen Fernsehen setzt er den Journalisten von ihm abhängige und ihm hörige Manager vor die Nase. Gemeinsam decken sie 90 Prozent des Marktes ab. Mit dem Ausspruch "Wer vom Volk auserwählt ist, ist wie ein Gesalbter des Herrn" outet er sich als Messias. Und die EU schweigt dazu. Das wären so einige Sprengkörper aus dem Bombenteppich der Fakten, Abteilung Italien.

Nach der Lektüre des Kapitels über Le Pen ist man auch über die Lage in Frankreich nicht mehr so beruhigt, wie es der eine oder andere nach der scheinbaren vorläufigen Ruhigstellung Le Pens durch das Ergebnis der jüngsten Parlamentswahlen vielleicht war. Denn der Preis für Le Pens Isolierung ist sehr hoch. Sie ist einem Wahlsystem zu verdanken, welches derart mehrheitsbildend wirkt, dass selbst Parteien mit 20 Prozent Stimmenanteil den Einzug ins Parlament verfehlen. Damit bleibt zwar Le Pen außen vor, bleiben aber auch die etablierten Kräfte unter sich. Neue Kräfte haben nur in strategischen Bündnissen mit anderen Parteien eine Chance. Die verheerenden Folgen für eine eigenständige Entwicklung wie etwa die der Grünen in Österreich oder Deutschland kann man sich ausrechnen.

Hans-Henning Scharsach überlässt es aber überhaupt den Lesern, sich vieles selbst auszurechnen, wofür er sie mit einer Fülle von Material ausrüstet. Alle Schattierungen vom (relativ) "ideologiefreien" Rechtspopulismus über den Konservativismus mit rechter Schlagseite bis zum Kentern bis hin zu denen, die auf radikalen Antisemitismus, Fremdenhass und kaum umgeformte Nazi-Inhalte setzen, werden eingehend dargestellt: Jörg Haider, Jean-Marie Le Pen, Silvio Berlusconi, Umberto Bossi, Gianfranco Fini, Jürgen Möllemann, Christoph Blocher, Paulo Portas, Pia Kjärsgaard, Carl Ivar Hagen, Filip Dewinter, Pym Fortuyn.

Damit dient dieses Buch drei Funktionen. Politisch interessierte Zeitgenossen finden schnell alle nötigen Informationen, die sie zur Einordnung einschlägiger Nachrichten brauchen. Verunsicherte Demokraten finden geradezu überwältigende Beweise für die Gefährlichkeit der europäischen Populisten. Und all jene, die es gerne genau wissen wollen, und das sollte man immer und überall, finden die denkbar gründlichste Klärung der nicht selten zur Vermanschung und Verwischung der Dinge missbrauchten Begriffe, die mehr Gemeinsamkeiten zutage fördert, als uns lieb sein kann. Auch Österreich ist nicht über den Berg. Die braunen Flöhe, die man sich bei Intimitäten mit blauen Hunden nun einmal zwangsläufig einhandelt, sind noch sehr lebendig.

RÜCKWÄRTS NACH RECHTS -

EUROPAS POPULISTEN

Von Hans-Henning Scharsach

Ueberreuter Verlag, Wien 2002

224 Seiten, geb., e 19,90

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