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Dummenfang mit Zahlenspielen

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„Dieses Buch will Haider nicht dämonisieren. Der Autor hat nichts anderes als ungeheuerliche Fakten zusammengetragen." Bei der Präsentation eines neuen Buches von Hans-Henning Scharsach „Haiders Kampf wurden etwaige Befürchtungen von vornherein ausgeräumt.

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„Dieses Buch will Haider nicht dämonisieren. Der Autor hat nichts anderes als ungeheuerliche Fakten zusammengetragen." Bei der Präsentation eines neuen Buches von Hans-Henning Scharsach „Haiders Kampf wurden etwaige Befürchtungen von vornherein ausgeräumt.

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Der Autor, Leiter des Auslandsressorts der Tageszeitung „Kurier", erläuterte seine Beweggründe, ein Buch über den Parteiobmann der FPÖ zu verfassen: „Anfangs glaubten viele, er imitiere Vorbilder wie Le Pen oder Schönhuber. Heute weiß man: Haider ist keine Kopie. Er ist echter als die Originale." Er sei daher wichtig genug, um sich mit ihm auseinanderzusetzen.

In den Medien unterliegen Meldungen der Tagesaktualität, und Darstellungen von Politikern können nur bruchstückhaft erscheinen. Scharsach fügt diese einzelnen „Puzzleteile" zu einem kompletten Bild aneinander. Haider wird darin nicht geistige Nähe zur nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und ihren Verbrechen unterstellt. Die in „Haiders Kampf gezogenen Vergleiche beziehen sich auf den jungen Hitler in der Zeit seines Aufstiegs, also vor der Machtergreifung.

Hitler begann als nationaler Populist. Parallelen zu ihm müssen sich heutige Populisten daher schon deshalb gefallen lassen, weil sie sich der gleichen Methoden und des gleichen Vokabulars bedienen, belegt Scharsach. Schon Hitler kämpfte gegen „Parteibuchterror", gegen „Bonzen-

tum" und „Privilegienwirtschaft". Scharsach: „Nicht zuletzt durch seine polemische, überspitzte Sprache hat Hitler seinem Anhang ein unterhaltsames Kontrastprogramm zum mausgrauen politischen Alltag geboten, also etwas, das wir heute bei Jörg Haider in hohem Ausmaß erleben."

So wie die heutigen Populisten die Sorge vor der Überfremdung - „die ja schon da ist" (Scharsach) - ausbeuten,

so haben die Nationalsozialisten den Antisemitismus, der damals auch schon vorhanden war, instrumentalisiert. Anschaulich wird dies dem Leser von „Haiders Kampf vor Augen geführt: Im Kapitel „Der alte Rassismus - Juden als Feindbild" erläutert der Autor: „Die Nationalsozialisten schürten Rassenhaß, indem sie vorrechneten: 500.000 Arbeitslose, 400.000 Juden."

Im folgenden Kapitel, das mit „Ausländer als Feindbild" betitelt ist, zitiert Scharsach aus einer Wahlkampfrede Haiders im Jahre 1987: „Ist es notwendig, daß wir bei 140.000 Arbeitslosen 180.000 Gastarbeiter im Land haben?"

Nur in der Statistik freilich ist Ar-

beitsplatz gleich Arbeitsplatz. Scharsach: „Einer durch Umstellung auf EDV arbeitslos gewordenen Buchhalterin in St. Pölten ist nicht damit gedient, daß man einen Türken, der im Innsbrucker Krankenhaus Toiletten säubert, nach Hause schickt." Immer und immer wieder gehe Haider „auf Dummenfang mit seiner unseriösen Zahlenspielerei". Vier Jahre später beispielsweise behauptete Haider gegenüber der APA, man könne keine Einwanderer mehr verkraften, so lange es 180.000 Arbeitslose und 200.000 Wohnungssuchende gebe. In einem Gespräch mit „Junge Freiheit - Deutsche Zeitung für Politik und Kultur", das etwa um die gleiche Zeit stattfand, waren aus den Arbeitslosen plötzlich 200.000 geworden und aus den Wohnungssuchenden gar 300.000.

„Haider lügt nicht"

Jene „Taktik" Haiders, die Hälfte seiner Aussagen sein Publikum fertig denken zu lassen, hat der Autor auch beim Thema Ausländerkriminalität beobachtet: „Tatsache ist: Haider lügt nicht. Er verbreitet die Unwahrheit, indem er wichtige Teile der Information verschweigt und Dinge verknüpft, die nichts miteinander zu tun haben. Er präzisiert nicht, von welchen Ausländern er spricht, und führt seine Zuhörer damit in die Irre."

Jeweils am Ende eines Kapitels illustriert Scharsach die offenkundige Nähe Haiders zum Rechtsextremismus. Dessen Ausländerkampagne basiere nicht auf Irrtum oder Schlamperei. Sie entspreche genau jener Strategie der Aufwiegelung und Verhetzung, mit der Rechtsextremisten in ganz Europa ihre Geschäfte machen.

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