Vom Katzentisch ins rechte Rampenlicht

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Ab-und Aufstieg

Marine Le Pen wurde in Frankreich klar geschlagen. Die kleinen Brüder im Geiste aus Österreich können mit einer eventuellen Regierungsbeteiligung auch unter Europas Rechten punkten.

'Bravo à nos amis et alliés', twitterte FN-Chefin Marine Le Pen. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini freute sich über die 'Fortschritte' der 'seit jeher Verbündeten'.

Stellen wir uns vor: In Wien wird in nicht allzu ferner Zeit die schwarz-blaue Regierung vereidigt. Durch Europa rauscht ein Sturm der Entrüstung, der in EU-Sanktionen gipfelt, da dieser Zustand quer durch die Union hin als unhaltbar erfahren wird. Sie können sich das nicht ausmalen? Zurecht, denn auch, wenn die politische Konstellation von 1999 sich mit einiger Wahrscheinlichkeit wiederholen wird, sind vergleichbare Reaktionen undenkbar. Was weniger über die Freiheitlichen als Koalitionspartnerin aussagt als über die veränderte politische Kultur unseres Kontinents.

Die Rolle der FPÖ bei dieser Entwicklung ist deutlich: Gemeinsam mit dem belgischen Vlaams Belang und der Lega Nord (die allerdings weitaus jünger ist) trat man aus radikal rechter Ecke bereits gegen die Tür zum politischen Establishment, als diese noch lange und fest verschlossen war.

Geöffnet hat sie sich erst mit der neuen, populistischen Welle rechter Politiker, mit Pim Fortuyn und Geert Wilders, Marine Le Pen und Pia Kjærsgaard sowie zuletzt Frauke Petry. Inzwischen ist Salonfähigkeit längst zum status quo geworden.

Aktive Verzahnung 2014

In den letzten Jahren näherten sich beide Strömungen einander zunehmend an, bevor sie sich im Zuge der Europawahlen 2014 aktiv verzahnten. Manifest wurde dies 2015 in der Fraktion "Europe of Nations and Freedom"(ENF) im EU-Parlament. Innerhalb dieser identitären Internationalen genoss die FPÖ Respekt als Pionierin, die schon im Namen von Volk, Nation und Zuwanderungsbekämpfung unterwegs war, als im Gros des Kontinents Multikulturalismus noch gut gelitten war.

Abgesehen davon jedoch war klar, dass die große Bühne anderen Protagonisten gehörte. Marine Le Pen (Front National) und Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid) waren nicht nur die Initiatoren des rechten Schulterschlusses, sondern bildeten auch dessen Achse. Als die ENF-Vertreter sich im Januar in Koblenz trafen und am Tag nach der Vereidigung Donald Trumps euphorisch den "patriotischen Frühling" ausriefen, duldeten Wilders und Le Pen eigentlich nur Frauke Petry, damals noch ein Shooting Star der Szene, neben sich. Der Rest spielte zweite oder dritte Geigen.

Nun muss man einräumen, dass das freiheitliche Schwergewicht "HC" Strache nicht vertreten war und mittels seines Mediums Harald Vilimsky Grußbotschaften aus Washington übermitteln ließ, wo er der Trump'schen Inauguration beigewohnt hatte. Vilimskys eigener Auftritt war ziemlich erschreckend: Er hetzte gegen ein vermeintlich "korruptes Establishment im Dienste der Finanzwirtschaft" und flegelte gegen Demonstranten vor der Halle, die "mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner geregelten Arbeit nachgehen". Ansonsten biederte er sich vor allem den weiblichen Galionsfiguren Le Pen und Petry an.

Gerade einmal neun Monate ist das her - und doch erscheinen Welten zwischen dem Anfang des Jahres, das für die EU zu einem schicksalshaften werden sollte, und seinem Ende. Was zunächst einmal daran liegt, dass die ENF-Ikonen die vollmundig angekündigten Wahlsiege verpassten -erst Wilders, dann Le Pen.

Wende mit der AfD

Die AfD indes setzte im September durchaus ein Ausrufezeichen: Liberale Medien, welche die populistische Gefahr durch die Wahlsiege Ruttes, Macrons und Merkels vorerst gebannt sahen, mussten diesem Befund ein "aber" anhängen. Doch der konstante Richtungsstreit könnte die Partei erledigen.Gemessen an der pompösen Rhetorik nationaler Erweckung also verlief 2017 durchwachsen -bis, ja bis die Freiheitlichen sich am Sonntag wieder zu ihrer elektoralen Stärke aus Milleniums-Zeiten aufschwangen. Prozentual gehört die FPÖ damit erneut zur Spitze der Bewegung. Und dass sie die SPÖ nicht überholte, ist dabei deutlich unwichtiger als zwei andere Aspekte: zum einen der geringe Abstand zur Wahlsiegerin ÖVP. Hinzu kommt die inhaltliche Annäherung der Konservativen an die FPÖ, von Strache als "fast 60 Prozent haben ein FPÖ-Programm gewählt" abgefeiert.

Die Partner zollten entsprechenden Respekt. "Bravo à nos amis et alliés" twitterte Marine Le Pen. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini freute sich über die "Fortschritte" der "seit jeher Verbündeten". Geert Wilders schrieb auf Deutsch, "Gratuliere FPÖ und HC Strache." Tom Van Grieken, der junge Vorsitzende des alten Alliierten Vlaams Belang, bejubelte gar einen "historischen Sieg". Im Koblenzer Getöse war es fast untergegangen, dass lange nach den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland auch noch eine in Österreich stattfinden würde. Nun gibt ausgerechnet deren Verlauf dem stockenden Motor der nationalstaatlichen Restauration wieder Anschub.

Umkehrung der Vorzeichen

Damit wiederholt sich fast, wenn auch mit vertauschten Vorzeichen, die politische Dramaturgie von 2016: Nach Brexit-Referendum und Trump-Wahl stellte der Erfolg Alexander Van der Bellens die Möglichkeit einer Trendwende in Aussicht. "Sag zum Rechtsruck leise Servus", titelte damals der Spiegel, in einer Voreiligkeit, deren oberflächlicher, von Wunschdenken gesteuerter Charakter beschämen müsste. Zehn Monate später gibt es wohl kein Wort, das zur Beschreibung der österreichischen Verhältnisse häufiger benutzt wurde als "Rechtsruck".

Was dieser genau impliziert, liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch im Dunkeln. Deutlich aber ist, dass von Österreich gleich mehrfach eine Signalwirkung ausgehen könnte: so etwa im Agendasetting, was die konservative Übernahme rechter Programmatik und Rhetorik betrifft. Zur Erinnerung: Auch in den Niederlanden punkteten die Christdemokraten im März mit dieser Strategie und in den deutschen Unionsparteien ist der Streit voll entbrannt.

Hinzu könnte es im Hinblick auf die EU zu einer möglichen Aufwertung der Visegrád-Staaten kommen, wobei die geografische Nähe durchaus migrationspolitische Parallelen widerspiegelt. "Es scheint, dass ein Ruck nach Rechts auch einen Ruck nach Osten bedeuten wird", zitiert die konservative belgische Zeitung De Standaard den Politologen Dirk Rochtus (Katholische Universität Löwen).

Vor allem aber wird eine schwarz-blaue Koalition der Debatte um Regierungsbeteiligung rechtspopulistischer Parteien neuen Schwung geben. Auch hier könnten die Freiheitlichen innerhalb des "Europe of Nations and Freedom" einmal mehr zur Pionierin werden. Was beim nächsten Familientreffen dann honoriert würde: mit einem Sprung vom Katzentisch ins Rampenlicht.

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