Lorenz - © Foto: Bernhard Hellmann, Privatarchiv Paul Hellmann

Die vier Gesichter des Konrad Lorenz

19451960198020002020

Vom seriösen Forscher zum Mitglied des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP: In der neu aufgelegten Biografie „Konrad Lorenz“ offenbart sich ein faszinierender Opportunist.

19451960198020002020

Vom seriösen Forscher zum Mitglied des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP: In der neu aufgelegten Biografie „Konrad Lorenz“ offenbart sich ein faszinierender Opportunist.

Werbung
Werbung
Werbung

Die überarbeitete und ergänzte Neuauflage der Biografie „Konrad Lorenz“ von Klaus Taschwer und Benedikt Föger erscheint zur richtigen Zeit. Konrad Lorenz war nämlich nicht nur repräsentativ für seine, er ist es auch für unsere heutige Zeit. Er war der Typ, der darauf besteht, nicht gewusst zu haben, was er wissen hat müssen, darauf, dass nie gewesen ist, was nicht bewiesen werden kann und der jeden, der Antwort auf die offen gebliebenen Fragen fordert, beschimpft. Ach, wie heutig uns das anmutet!

Dabei war er freilich von anderem als dem heute vorherrschenden Kaliber. Sonst stünde es ja nicht dafür, eine in akribischer Archivarbeit entstandene 480-Seiten-Biografie Seite für Seite zu lesen, und das mit anhaltendem Interesse und bleibendem Gewinn. Den Autoren standen die 120 Ordner mit dem Briefwechsel im Lorenz-Nachlass zur Verfügung, sie erschlossen die Nachlässe zahlreicher mit ihm korrespondierender Personen in Österreich, Deutschland, England, Holland und den USA. Die in der letzten Lebensphase diktierten Erinnerungen waren seit zwei Jahrzehnten verschollen und fanden sich in einer falsch beschrifteten Mappe unter den Druckfahnen der Bücher.

Der herausragende Beobachter

Dass Konrad Lorenz 1903 mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren wurde, war bekannt. Doch wie golden dieser Löffel war! Wie er verwöhnt, aber auch vom Vater geistig gefordert wurde! Und in welch anregendem Milieu er aufwuchs, nicht zuletzt dank einem Opapa, der Chefredakteur der Neuen Freien Presse war. Lorenz war sein Leben lang dankbar für die Voraussetzungen, unter denen er früh seine herausragende Beobachtungsgabe entwickeln und den elterlichen Wohnsitz in Altenberg nach und nach in einen Privatzoo verwandeln konnte.

Die wissenschaftlichen Grundlagen und neuen Begriffe, mit denen er später berühmt wurde, hatte sich der Doktor der Medizin und habilitierte Zoologe bereits mit 35 Jahren erarbeitet. In einem Kapitel seines 1949 erschienenen Bestsellers „Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“ servierte er die erste Beobachtung der Weitergabe von Information bei höheren Tieren von Generation zu Generation. Junge Dohlen verfügen nicht, wie andere Vögel, über eine angeborene Reaktion auf Feinde. Sie wird von den Eltern gelernt. Heute eine Selbstverständlichkeit, zur Zeit seiner Dohlen-Beobachtungen vor dem Zweiten Weltkrieg radikal neu. Hätte Lorenz diesen Ansatz weiter verfolgt, wäre er wohl auch zu Nobel-Ehren gelangt. Doch sein Weg war ein anderer, nicht die Erforschung der erworbenen, sondern der angeborenen Fähigkeiten und Verhaltensweisen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung