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Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe und Direktor der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal, über Mensch-Tier-Beziehungen und Lorenz' Nazi-Vergangenheit.

Die Furche: Sie haben selbst zwei Hunde. Warum?

Kurt Kotrschal: Aus sozialen Gründen. Ein Hund ist ein Partner, mit dem man interagiert. Außerdem ist ein Hund ein nicht zu unterschätzendes Sportgerät: Zwei Mal am Tag eine halbe Stunde Bewegung würde ich sonst kaum machen.

Die Furche: Sie sehen sich also weniger als "Katzentyp"...

Kotrschal: Diese Unterscheidung wird ziemlich überschätzt. Ich selbst hätte schon gern Katzen, aber zwei Familienmitglieder haben eine Katzenallergie. Außerdem hält meine Hündin Katzen für "Verbrauchstiere". Hunde-Leute bilden sich jedenfalls ein, dass sie ihren Hund erziehen und in der Hand haben, während das bei Katzen flach fällt. In Wirklichkeit ist es bei mehr als der Hälfte der Mensch-Hund-Beziehungen aber so, dass der Hund mehr den Menschen erzogen hat als umgekehrt. Das dürfte überhaupt ein wichtiger Grund sein, warum viele Leute Hunde oder andere Haustiere haben - damit sie sich um etwas kümmern können.

Die Furche: Dabei dienen die Tiere nicht selten als Partnerersatz und werden auch so behandelt: Man gönnt ihnen teure Delikatessen, bringt sie zur Verschönerung in den Hundesalon oder lässt sie am Tierfriedhof beerdigen. Was halten Sie von solchen Vermenschlichungen des Tieres?

Kotrschal: Wenn es in Tierquälerei ausartet, dann muss man das schon kritisch sehen. Aber ich sehe wenig Schlimmes darin, wenn Tiere vermenschlicht werden. Der Hund ist eben eine Erfindung des sozialen Menschen. Es ist außerdem ja nicht so, dass die Alternative darin besteht, entweder nett zu Tieren oder nett zu Menschen zu sein. In den meisten Fällen ist es so, dass Menschen, die nett zu Tieren sind, auch nett zu Menschen sind. Es ist aber bei der Mensch-Tier-Beziehung wichtig, auch die kulturelle Komponente zu betrachten: Gerade die Buchreligionen, der Islam, aber auch das Judentum und das Christentum, haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Tieren: Ich habe mich etwa gewundert, warum ich in Assisi mit meinen Hunden des Gotteshauses verwiesen worden bin. Das kommt wohl daher, weil gerade die Katholiken sehr darauf pochen, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist - und wenn man das zu eng sieht, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als sich gegen den Rest der Schöpfung abzugrenzen. Das ist bei diesen Buchreligionen fast pathologisch. Vielleicht liegt ja darin ein Grundproblem der katholischen Kirche: Immer mehr Menschen leben in Städten, wo Haustiere als Sozialpartner gesehen werden. Und hier verträgt es sich nicht, wenn man ihnen sagt: Pass auf, das ist ja nur ein Hund! Ich selber habe damit kein Problem. Aber in meiner Eigenschaft als Vorsitzender eines Rassehundeklubs für Eurasier weiß ich, dass man aufpassen muss, sonst ist jemand beleidigt. Denn das ist ja kein Hund, sondern der Flocki.

Die Furche: Zwischen Hundehaltern und Nicht-Hundebesitzern kommt es spätestens dort zum Konflikt, wo ein Territorium sowohl von Tieren als auch von Menschen beansprucht wird - Stichwort Wiener Hundstrümmerlstreit. Warum ist es nicht möglich, diesen Konflikt zu lösen?

Kotrschal: Wahrscheinlich deshalb, weil Wiener Wiener sind. Wenn man in Bern dabei erwischt werden würde, wenn ein Hund sein Geschäft im Park verrichtet und man das nicht wegräumt, dann wäre das sozial inakzeptabel. Wenn man aber in Wien die Hinterlassenschaft seines Hundes wegputzt, dann schauen die Leute ungläubig. Außerdem ist es so, dass gerade bei Männern der Hund oft eine Verlängerung des Egos ist und das Häuferl-Machen in einem Kinderspielplatz zum Macho-Gehabe gehört. Es ist aber nicht einzusehen, warum es in einer der hundefreundlichsten Städte der Welt die Hundebesitzer partout darauf abgesehen haben, die anderen zu ärgern.

Die Furche: Sie sind Direktor der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle und haben damit das Erbe des Begründers der Verhaltensforschung angetreten. Anlässlich des 100. Geburtstags von Konrad Lorenz am 7. November haben Benedikt Föger und Klaus Taschwer eine erste Lorenz-Biografie herausgegeben und - wie schon in ihrem Lorenz-Buch "Die andere Seite des Spiegels" (Czernin Verlag, Wien 2001) - besonderes Augenmerk auf seine Nazi-Vergangenheit gelegt. Wie geht es Ihnen damit, dass der Begründer Ihres Wissenschaftszweiges ein begeisterter Nationalsozialist war?

Kotrschal: Das ist nichts Neues. Es ist das Verdienst von Föger und Taschwer, diese Tatsache relativ unaufgeregt aufgezeigt und damit zur Versachlichung der Debatte beigetragen zu haben. Bis vor kurzem wurde Lorenz ja nur aus zwei Gesichtspunkten gesehen: Es gab die notorischen Lorenz-Freunde, die ihm Denkmäler gebaut haben, und die angeblichen Lorenz-Feinde, die versucht haben, auf diese Denkmäler zu pinkeln. Beides ist Unsinn. Dass Lorenz zu bestimmten Zeiten aus bestimmten Gründen Nationalsozialist war, das ist nicht zu leugnen. Mich als Verhaltensbiologen würde das vom Fachlichen her dann aufregen, wenn diese Nähe zum Nationalsozialismus ideologisch abgefärbt hätte auf die Entwicklung der Theorie - hat es aber nicht. Allerdings gibt es schon Berührungspunkte: Das ist etwa Lorenz' lebenslanges Vorurteil von der Selbstdomestikation oder "Verhausschweinung" des Menschen. Hier hat man schon 1950 gewusst, dass das ein Blödsinn ist.

Die Furche: Tatsache ist, dass dieses Buch Wasser auf die Mühlen all jener ist, die die vergleichende Verhaltensforschung seit jeher für eine problematische, "rechte" Wissenschaft halten, weil vom Tierverhalten auf jenes des Menschen geschlossen wird...

Kotrschal: Man muss davon ausgehen, dass es keine vernünftige Trennlinie zwischen Mensch und Tier gibt. Menschen sind einfach eine Tierart von vielen. Deshalb habe ich auch mit der Botschaft von Föger und Taschwer Probleme, wonach Konrad Lorenz zwar ein guter Tierkenner war, aber sich mit Menschen nicht ausgekannt hat. Wenn man sieht, wo die Psychologie jetzt steht, dann kann man nur sagen: Lorenz hat auf der ganzen Linie gesiegt. Psychologie ohne evolutionären Hintergrund ist heute im Wissenschaftsmuseum. Als Österreicher haben Föger und Taschwer den seit der Gegenreformation fest verankerten Hintergrund der Trennlinie zwischen Mensch und Tier. Es ist eben hierzulande noch immer schwierig, den Menschen dort hinzustellen, wo er hingehört: nämlich in die Zoologie - und von dieser Warte sein Verhalten zu untersuchen. Die Message der beiden lautet: Lorenz, bleib bei deinen Viechern - und Verhaltensbiologen, bleibt bei euren Viechern. Die beiden übersehen aber, dass die evolutionäre Biologie international die Nummer eins ist.

Die Furche: Ist es aber nicht problematisch, wenn sich Ethologen mit Entwicklungen in der menschlichen Gesellschaft beschäftigen und daraus politische Schlüsse ziehen? Wenn etwa Irenäus Eibl-Eibesfeldt vor der multikulturellen Immigrantengesellschaft warnt und meint, das Boot sei voll?

Kotrschal: Meiner Meinung nach sollten sich Wissenschaftler darauf beschränken, das zu tun, was sie können, nämlich sich um Muster und Zusammenhänge zu kümmern und die Weltrettung lieber anderen überlassen. Es hat auch keinen Sinn zu sagen "Grenzen zu": Die Zuwanderung ist ein Faktum. Einem Verhaltensbiologen würde besser anstehen zu fragen, wie wir es schaffen, damit es möglichst wenige Konflikte gibt.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

BUCHTIPP:

KONRAD LORENZ. Biographie

Von Klaus Taschwer, Benedikt Föger Zsolnay Verlag, Wien 2003 341 Seiten, 21 Abb., e 25,60.

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