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Das überzeugende Romandebüt der Kolumnistin Elfriede Hammerl.396 Seiten voll Witz und Lebensklugheit.

Auch sympathische Leute haben nervige Eigenschaften. Die Schwester hat sich ausgerechnet in einen präpotenten Hohlkopf verliebt. Das Töchterlein lastet schlechte Noten grundsätzlich seiner allein erziehenden Mutter an. Der Ehemann, den sie glücklich losgeworden ist, taucht stets im falschen Moment auf. Wenn er seine Geschiedene einmal zum Geburtstagsessen einlädt, reagiert er noch immer fassungslos, weil sie einen anderen Wein trinken will als er, der Göttliche, Einzigartige, sprich: der sich nach wie vor selbst für göttlich haltende Trottel. Der perfekte Liebhaber ist eben dies, nämlich perfekt, leider auch bei anderen. Und der einzige rundum akzeptable und derzeit auch nicht vergebene Mann auf weiter Flur - nein, wir wollen der Handlung nicht allzu sehr vorgreifen.

Die streitbare "Profil"-Kolumnistin Elfriede Hammerl, die vor wenigen Tagen mit dem ersten Wiener Frauenpreis ausgezeichnet wurde, hat ihren ersten Roman geschrieben. Und damit bewiesen, dass ihr der Atem nicht schon nach einer Zeitschriftenseite ausgeht. "Mausi oder das Leben ist ungerecht" hat 396 Druckseiten und keine zu viel, die Spannung hält bis zur überraschenden und den Leser erfreuenden Schlusspointe an. Elfriede Hammerl beweist nämlich noch einiges mehr. Zum Beispiel, dass man vom Alltag einer allein erziehenden Mutter samt all seinen Freuden und Tristessen auch ohne Tristesse, sondern ungemein witzig und unterhaltend schreiben kann. Sie beweist, dass so eine Geschichte auch ohne Abstriche vom Engagement für die Frauen gut ausgehen darf, und dass ein happy end auch nicht auf Kosten des Realismus gehen muss.

Die größte Überraschung aber ist die Souveränität, mit der ausgerechnet Elfriede Hammerl, der man gerade dies nie zugetraut hätte, eine massive Anleihe bei der Fantasy-Literatur nimmt, ohne dabei auf den Bauch zu fallen. Im Gegenteil. Was wäre "Mausi" ohne das ziemlich scheußliche ausrangierte Stoffmausi, das eine Besucherin als Mitbringsel anschleppt und das plötzlich zu reden beginnt. Die verzauberte Prinzessin, die aus der Stoffmaus spricht, ist nicht nur ein durchtriebenes, sondern auch ein ziemlich hochmütiges Persönchen und spricht die Mitglieder der Familie, in die sie hineingeschneit ist, grundsätzlich in der dritten Person an. Was kein Aristo ist, ist für sie eben ein Domestik, bring sie mir also dies und bring sie mir jenes. Die allein erziehende Mutter ist aber auch nicht auf den Mund gefallen und verweist Mausi schnell in die Schranken. Im Lauf der Zeit erfahren wir auch, siehe oben, dass nicht nur die Leute, mit denen man es zu tun hat, nervige Eigenschaften haben, sondern dass dies eventuell auch auf einen selbst zutrifft. Zarten Andeutungen der IchErzählerin dürfen wir entnehmen, dass sie offenbar fallweise auch eine ziemlich hantige Person sein kann. Und dass ihre Alltagsprobleme mitunter zu Wutausbrüche führen. In solchen Momenten zieht es sogar das verzauberte Mausi vor, sich zu ducken.

Köstlich, wie sich die zwei zusammenraufen. Selbstverständlich wahrt die ganze Familie das Geheimnis. Nach Jahrhunderten wäre die Befreiung fällig, nur der Kuss eines Prinzen fehlt noch. Der Versuch mit einem pickeligen Halbwüchsigen, der unter einem blödsinnigen Vorwand zu einem Schmatz auf die Stoffmaus veranlasst wird, schlägt leider fehl. Dafür kommt die Prinzessin ordentlich unter die Leute. Da sie das ewige Hocken auf dem Sofa bald leid ist, wird sie in einen Papiersack mit einigen zwanglos hineingeschnittenen Gucklöchern gesteckt. Was natürlich zu weiteren komischen Situationen führt. Mausi sondert brutale Lebensweisheiten ab, etwa die, dass es doch blöd sei, die Schuld an diesem und jenem bei sich zu suchen, wenn man sie doch gerade so gut auch bei jemandem anderen suchen kann. Mausi kann ekelhaft, aber auch sehr hilfsbereit sein, Mausi sieht die Dinge nüchtern, kann aber auch rührselig sein und regiert im übrigen energisch in die Familie hinein. Miesen Typen verpasst Mausi Abreibungen, die sich gewaschen haben, denn eine verzauberte Prinzessin kann selbstverständlich auch zaubern.

So erweist sich die scheinbare Anleihe bei der Fantasy-Literatur einfach als Ausgeburt einer im besten Sinn des Wortes blühenden Fantasie, als Einfall, der eine Handlung in Schwung hält und ein kleines Feuerwerk von Schlusspointen liefert. Die meisten Menschen, selbst die nüchternsten, möchten wohl gerne einmal ein Wunder erleben. Das Buch appelliert an diesen geheimen Wunsch. Der Reichtum an liebenswerten Einfällen, mit dem so ein Wunder da ausgesponnen wird, in Verbindung mit dem Realismus, mit dem Elfriede Hammerl den permanenten Spagat der Ich-Erzählerin zwischen Familie und einem anspruchsvollen Beruf schildert, gibt dem Buch den besonderen Pfiff.

Geschrieben ist es ungemein lebendig, unterhaltsam und in einer Sprache, die sich anspruchsloser gibt, als sie ist. Die Erzählerin arbeitet in einem Realitätenbüro und hetzt von Termin zu Termin. Unter den Objekten, die sie der Kundschaft schmackhaft machen soll, ist leider auch ein entzückendes kleines Haus in allerbester Wiener Vorstadtlage, das eigene glühende Besitzwünsche weckt. Der Beruf der Hauptperson gibt aber der Autorin auch Gelegenheit, so manche Medienphrase aufzuspießen, wofür sie ja auf Grund ihres eigenen Berufes besonders kompetent ist. Darunter auch das "nostalgische Geschwafel", wonach "früher die Menschen im Dorf und in den Mietskasernen rührend aneinander Anteil genommen hätten, statt wie in unserer unpersönlichen Zeit egoistisch aneinander vorbeizuhasten. Blablabla. Nicht für viel Geld würde ich in eine Zeitmaschine steigen, die mich um hundert oder mehr Jahre zurückversetzte. Für zu groß hielte ich die Gefahr, zum Beispiel als Fabrikarbeiterin herauszukommen, die einen Gutteil ihres mühselig verdienten Lohns hergeben müsste, um sich die stundenweise Benützung einer Schlafstatt" zu erkaufen.

Dieses Buch ist ein heißer Tipp für Weihnachten.

Mausi oder das Leben ist ungerecht

Roman von Elfriede Hammerl

Deuticke Verlag, Wien 2002

396 Seiten, geb., e 19,90

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