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Jörg Friedrich beschreibt minutiös den Untergang der deutschen Städte.Wenn der Krieg einmal wütet, hat die Menschlichkeit keine Chance mehr. v

Historiker versuchen sich besser nicht als Dichter, es sei denn, sie hätten die dafür nötigen Fähigkeiten. Jörg Friedrich hat sie nicht. Er war daher schlecht beraten, als ihm für sein Buch über den Bombenkrieg gegen die deutschen Städte, "Der Brand", die Sprache der Fakten nicht genügte und er sich einen literarisch überhöhten, emotional aufgeladenen Stil zurechtlegte. In seiner Diktion wurde die Krypta des Hildesheimer Doms mit dem Sarg St. Godehards nicht von einer Bombe getroffen, vielmehr "hatte die Bombe St. Godehard gesucht", und er steigert sich zu Stilblüten, wie: "Die Hingabe der Person an das, was Organismus und Bombe unter sich ausmachen, ist vielen Individuen zu eigen gewesen, anderen nicht."

"Der Brand" rekonstruiert auf 540 Seiten plus Apparat minutiös die Zerstörung der deutschen Städte im Zweiten Weltkrieg. Dabei stehen die nächtlichen britischen Flächenbrandangriffe im Vordergrund. Die meist bei Tag durchgeführten amerikanischen Sprengbomben-Angriffe, die keine verheerenden Feuerstürme auslösten, sich aber durch stundenlange Alarme während der Arbeitszeit äußerst negativ auf die Rüstungsproduktion auswirkten, werden eher stiefmütterlich behandelt. Die am schwersten betroffene Stadt in Hitlers ganzem Reich bleibt ein weiteres Mal unerwähnt: Wiener Neustadt wurde zwar zu 90 Prozent zerstört, aber der Luftkrieg über Österreich wird von der deutschen Literatur ausgeblendet und vergleichbare österreichische Werke existieren nicht.

Zugleich ist dieses Buch aber einer der Fälle, in denen das Wie, die Sprache, die Haltung eines Autors deutlicher erkennbar macht als der Inhalt, das Was. Die Zerstörung der deutschen Städte ist derzeit ein virulentes Thema, auch der Spiegel widmete ihm kürzlich nach einer Artikelserie über Stalingrad eine weitere. Die Behauptung, die man derzeit oft lesen kann, die Leiden der deutschen Soldaten und der Zivilbevölkerung seien in der Nachkriegszeit kaum thematisiert worden, stimmt zwar nicht, tatsächlich wurde über diese Themen jahrelang viel mehr geschrieben als über die NS-Verbrechen. Trotzdem ist eine neue Welle der Beschäftigung mit ihnen legitim und gerade der Bombenkrieg provoziert eine Fülle kritischer Fragen. Vor allem die, ob die Vernichtung der Städte, bei der rund eine halbe Million Menschen, ein großer Teil davon Frauen und Kinder, umkamen und unschätzbare Kulturgüter verloren gingen, notwendig war - oder für notwendig gehalten werden konnte. Zum Zeitpunkt des Angriffes auf Dresden mit über 30.000 Toten am 12. Februar 1945 war der Krieg für Deutschland jedenfalls verloren, und wenn er überhaupt einen "militärischen Sinn" hatte, dann wohl nur den, die sowjetischen Verbündeten zu beeindrucken, die Breslau bereits erobert hatten.

Jörg Friedrichs Buch beschäftigt sich damit nur am Rande. Sein Thema ist die "Leideform" des Bombenkrieges. Auch dagegen wäre nichts einzuwenden. Doch Jörg Friedrich emotionalisiert das Thema. "Ein Splittergeschoß und eine Phosphorfontäne dringen tiefer in den Menschen als seine politischen Ansichten. Insoweit trifft die Psychologie des moral bombing' zu. Die Folge davon ist nur nicht, dass jemand politischen Aufruhr anzettelt. Nichts liegt ihm ferner als das, Bomben privatisieren (...)", lautet eine seiner typischen Passagen, die man auf harmlose, aber auch weniger harmlose Weise verstehen kann. "Der Hitlerbesessene, den Goebbels herbeischwadroniert und Churchills Bombe umerzieht", sei sowieso die falsche Adresse. Zwar stellt Friedrich in einigen Passagen klar, dass nicht Churchill, sondern Hitlerdeutschland den Krieg vom Zaun gebrochen und in Guernica, Belgrad, Rotterdam und Coventry auch mit dem Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung begonnen hatte. Trotzdem kann dieses Buch sehr leicht zum Wasser auf die falschen Mühlen werden. Jörg Haider ist ja nicht der einzige, der Churchill für einen Kriegsverbrecher hält.

An vielen Stellen schlagen die geschwollenen Bilder, kippt der getragene Ton ins Lächerliche um: "Die abgeworfene Munition wird eins mit der Materie der Stadt, Stein, Holz und Interieurs, dadurch wirkt sie verheerend als Waffe." Oder: "Die Metaphorik dieser Tode rühmt die kosmische Gewalt der Strahlhitze und den unsichtbaren Zerschmetterer von Adern und Stein, die Druckwelle. Sie verwerfen die Hinfälligkeit des Gewebes, dessen Dekomposition es schon als Abfall ausweist. Der Eimer erkennt das an."

Die wichtigste und aktuellste Lehre des Bombenkrieges bleibt unerwähnt: Die Menschlichkeit hat im Krieg keine Chance. Wenn sie eine hat, dann nur vor dem Krieg jene, ihn zu verhindern. Ist er im vollen Gange, sind die Handlungen der Braven oder sich für die Braven Haltenden von jenen der Schurken nicht mehr zu unterscheiden.

DER BRAND

Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945

Von Jörg Friedrich

Propyläen Verlag, München 2002

592 Seiten, geb., e 25,70

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