"EU fehlt soziale Betroffenheit"

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Walter Zimper, Vertreter österreichischer Gemeinden in der EU, zu EU-Schmarrn und dem Segen der EU-Verfassung.

Die Furche: Herr Vizepräsident, Sie werden als Vertreter der österreichischen Gemeinden in der eu zuhause sicher oft mit der Klage über den Wasserkopf Brüssel konfrontiert sein ...

Walter Zimper: ... die auch insofern Berechtigung hat, als dass sich Brüssel allzuoft in Kleinigkeiten einmischt, die die eu einen Schmarrn angehen und die man auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene viel besser lösen könnte. Nach wie vor wird in der eu zu abgehoben über lokale und regionale Realitäten hinweggearbeitet.

Die Furche: Was ist der Grund dafür: Unverständnis, politisches Kalkül, zuwenig Flexibilität?

Zimper: Der Europäischen Union fehlt nach wie vor die soziale Betroffenheit; sie ist nach wie vor fast ausschließlich auf die wirtschaftliche Dimension fixiert und agiert nach neokapitalistischen Überlegungen, in denen politische Wertigkeiten nur wenig bis gar kein Gehör finden.

Die Furche: Und das wirkt sich bis auf die Gemeindeebene aus?

Zimper: Das wirkt sich vor allem auf die Gemeinden aus, denn 70 Prozent der Gesetze, die man in Brüssel beschließt, müssen in den Gemeinden und Regionen umgesetzt werden. Trotzdem passiert der Gesetzgebungsprozess fast ausschließlich ohne Bezug zu den Gemeinden und den dort herrschenden Realitäten.

Die Furche: Wo wird dieser Widerspruch am deutlichsten?

Zimper: Das haarsträubendste Beispiel: Rettungsorganisationen können nur mit freiwilligen Helfern bestehen. Derzeit ist aber eine Richtlinie in der eu in Ausarbeitung, in der dieses Ehrenamt untersagt werden soll, weil es aus wirtschaftlicher Sicht wettbewerbsverzerrend ist - falscher kann man doch nicht agieren und deswegen muss die eu in diesem, aber nicht nur in diesem Fall, mit dem schärfsten Einspruch und Widerstand von 100.000 europäischen Gemeinden rechnen.

Die Furche: Und der wird gehört?

Zimper: Der Ausschuss der Regionen wird dann gehört, wenn er sich in Dinge einmischt, wo man auch in Brüssel glaubt, dass er davon was versteht - in kommunalen oder regionalen Angelegenheiten ist es bisher nicht passiert, dass die eu-Kommission oder das eu-Parlament daran vorbeigegangen wären. Wir haben aber keinen Rechtsanspruch darauf, den würden wir erst durch die eu-Verfassung bekommen.

Die Furche: Die Gemeinden und Regionen würden durch die eu-Verfassung gestärkt?

Zimper: Absolut! Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Verfassung das Beste ist, was in den letzten 50 Jahren in der eu geschaffen wurde. Damit wird die Union demokratischer, transparenter und zum ersten Mal wirklich der Subsidiarität verpflichtet - das müssen wir über die Rampe bringen.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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