Farbe, Form, Protestsdfsdf

Er war wohl einer der provozierendsten Maler der zweiten Jahrhunderthälfte. Er bemalte ein zweieinhalb Meter hohes Fiberglasmodell der Freiheitsstatue mit Sprühfarbe und bedeckte es mit dem Filzstift mit allerlei Anzüglichkeiten, und nicht wenige seiner Bilder wimmeln von Fortpflanzungsorganen sowie Paaren und Gruppen in allen Stadien und Formen der sexuellen Vereinigung. Vor längerer Zeit wäre er, Keith Haring, verbrannt, etwas später eingesperrt, noch etwas später totgeschwiegen worden, im New York der achtziger Jahre wurde er berühmt und reich. Wovon er aber nur kurz etwas hatte, denn er war homosexuell und starb an Aids.

Keith Haring hat die aus dem Untergrund gekommenen Darstellungsmittel der Sgraffitikunst salonfähig gemacht - Sgraffiti sind nicht immer Kunst, aber sie können es sein. Es ging Keith Haring auch nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, ums Provozieren. Es ging ihm sehr wohl um Protest, was etwas völlig anderes ist: Protest gegen eine Welt der Weißen, deren Macht er, der Schwarze, am eigenen Leib verspürt hatte. Es ging ihm aber auch, und wohl vor allem, um Darstellung, künstlerische Verarbeitung, seiner Innenwelt, seiner Obsessionen, seiner Phantasien.

Logischerweise hält ihn nicht jeder aus, auch nicht jeder, der etwas von Kunst versteht, und manchem fällt es schwer, in dem, was er gemacht hat, die Kunst zu erkennen. Dabei sind viele seiner Arbeiten von zwingender formaler Kraft, von einer ungeheuerlichen, expressiven Farbigkeit, viele aber auch quälend, gewaltsam, bedrohlich. Keith Haring sollte man kennen. Man erfährt bei ihm etwas über den Menschen, was man vielleicht nicht wahrhaben will. Ein optisch besonders eindrucksvoller, opulenter, wunderbar ausgestatteter, dabei - wie alle Bücher von Benedikt Taschen - spottbilliger Band macht es auch bei höchstem Anspruch und kleinster Brieftasche möglich. H. B.