Fegefeuer für den eitlen Kritiker

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"Ich und Kaminski": Wolfang Becker hat den gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann verfilmt. Ein zu Recht "böser" Film, in dem Daniel Brühl, Jesper Christensen und Geraldine Chaplin brillieren.

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"Ich und Kaminski": Wolfang Becker hat den gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann verfilmt. Ein zu Recht "böser" Film, in dem Daniel Brühl, Jesper Christensen und Geraldine Chaplin brillieren.

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Eigentlich war er zwölf Jahre verschollen. 2003 hatte Wolfgang Becker mit "Good bye, Lenin!" einen veritablen Erfolg hingelegt und blieb dann - filmmäßig - mehr oder weniger in der Versenkung. Der Film über die endende DDR und deren tragikomische Seiten katapultierte einen jungen Schauspieler in den Star-Himmel: Daniel Brühl. In jenem Jahr 2003 veröffentlichte auch ein 28-jähriger Autor namens Daniel Kehlmann seinen Roman "Ich und Kaminski" - und erreichte damit seinen internatonalen Durchbruch.

Was wäre, wenn die drei genannten sich bei einem Film wiederfänden: Abklatsch? Literaturkrampf auf der Leinwand? Die bloße Bemühung, eine gnadenlose Gesellschafts-und Mediensatire fürs Kino zu wiederholen?

Der Literat findet sich im Film wieder

Gleich vorweg: Sie fanden sich bei "Ich und Kaminski" wieder, und der Schriftsteller ließ schon per Interview verlauten, dass er den Film mit "Sehr gut" qualifiziere. Das ist schon erstaunlich, denn nicht jeder Literat findet sich in seinem verfilmten Werk auch wirklich wieder.

Und auch die weiteren Rahmenbedingungen bürgten nicht fürs Gelingen: Becker-Brühl, das Erfolgsduo von "Good bye, Lenin!" nach zwölf Jahren wiedervereint? Auch da vorweg: Wolfgang Becker hält sich keineswegs mit irgendeiner Reminiszenz an den damaligen Erfolg auf. Und Daniel Brühl, nicht nur seit damals als "guter Sohn" filmisch in Erinnerung, schlüpft in die Rolle eines Medien-Ekels -eines Kritiker-Kollegen, mit dem man so gar nichts gemein haben will. Eben so eines, wie ihn Kehlmann offenbar im Kopf gehabt hat.

"Ich und Kaminski" ist also auch als Film eine Farce, der die Untiefen von Gesellschaft und Medienbetrieb auslotet -und ganz und gar nicht zeitgebunden, obwohl die Handlung noch vor der Jahrtausendwende spielt. Viel, so eine Erkenntnis des Films, hat sich seit damals auch nicht verändert.

Der von sich überaus eingenommene und gleichzeitig nicht gerade scharfsinnige Kunstkritiker Sebastian Zöllner (Daniel Brühl) will zumindest in der aktuellen Kulturschickeria auftrumpfen -indem der den beinah vergessenen Maler Manuel Kaminski aufspürt, einen Freund von Matisse und Picasso, der durch ein Missverständnis in der Kunstszene groß herauskam: Denn ein Bild Kaminskis hatte sich seinerzeit in eine Pop-Art-Ausstellung verirrt, und dessen Titel "Painted By A Blind Painter" war die Ursache für die Furore, die es machte.

Nach dem tatsächlichen Verlust des Augenlichts hatte sich Kaminski in die Schweizer Alpen zurückgezogen, wo ihn Zöllner besucht und für seine Zwecke - eine Biografie zu schreiben und die dann nach dem erwartbar nahen Tod Kaminskis im pekuniären Wortsinn gewinnbringend zu veröffentlichen - zu missbrauchen sucht.

Hommage an Woody Allens "Zelig"

Doch Manuel Kaminski (genial gespielt von Jesper Christensen), der von seiner Tochter Miriam (Amira Casar) behütet, um nicht zu sagen: eingesperrt wird, erweist sich als Schlitzohr, das trotz seiner Blindheit (oder ist er das gar nicht?) den feisten Sensationsjäger jede Menge Mores lehrt. Zöllner hat Kaminskis Jugendliebe Therese aufgetrieben. Zu ihr tingelt das ungleiche Paar quer durch Europa - und verschafft der nun auch schon Uralten via deren Darstellung durch die grandiose Geraldine Chaplin unvergessliche Präsenz.

Eigentlich weiß man schon zu Beginn des Films, dass diese böse Story aufgehen wird: Dort erfindet Wolfgang Becker nämlich - als eine Art Hommage an Woody Allens Mockumentary "Zelig" - mit getürkten Filmaufnahmen die Kunstkarriere von Kaminski seit dessen Bekanntschaft mit Matisse und Picasso. Schon das ist eine hohe Kunst.

Ich und Kaminski

D 2015. Regie: Wolfgang Becker. Mit Daniel Brühl, Jesper Christensen, Amira Casar, Geraldine Chaplin. Filmladen. 118 Min.

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