Persona non grata - © Filmladen

Antonin Svoboda über "Persona non grata": „Sensorium entwickeln“

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Antonin Svoboda verfilmte mit „Persona non grata“ die Missbrauchs-Geschichte der Skirennläuferin Nicola Werdenigg. Im Gespräch beklagt er das System dahinter.

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Antonin Svoboda verfilmte mit „Persona non grata“ die Missbrauchs-Geschichte der Skirennläuferin Nicola Werdenigg. Im Gespräch beklagt er das System dahinter.

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Als sich Nicola Werdenigg 2017 über die Medien zu Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen im österreichischen Skisport äußerte, war Feuer am Dach des Skiverbandes. Werdenigg erhob schwere Vorwürfe, berichtete von ihrer Vergewaltigung und dem systemischen Machtmissbrauch in der Branche. Antonin Svoboda hat diese Geschichte nun verfilmt.

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Wenn die richtigen Menschen miteinander arbeiten und Vertrauen und Integrität gewahrt bleiben, ist Sport ohne Anflug von Missbrauch möglich.

DIE FURCHE: Herr Svoboda, wie kamen Sie auf die Idee, diesen Film zu drehen?

Svoboda: Ich hatte Nicola Werdenigg auf meiner Hochzeitsreise kennengelernt. Ich wusste damals nicht, dass sie Skirennläuferin war, und meine Frau und ich blieben lose in Kontakt mit ihr. Als Werdenigg 2017 mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit ging, war ich überrascht. Ich habe mich nicht gleich bei ihr gemeldet, sondern etwa ein Jahr später. Ich wollte wissen, wie es ihr mit der Geschichte ging. Damals gab es die Idee zum Film noch gar nicht. Aber ihre Erzählungen haben mir keine Ruhe gelassen, und ich entschloss mich, sie als Grundlage für einen fiktionalisierten, aus vielen Fallbeispielen erarbeiteten Film zu machen.

DIE FURCHE: Wieso war es Ihnen wichtig, Werdeniggs Geschichte zu erweitern und aus ihr die Geschichte von Andrea Weingartner zu machen?

Svoboda: Das Fiktionalisierte will keinen Wahrheitsbeweis antreten. Es ging einerseits um künstlerische Freiheit, andererseits auch um den Schutz, damit der Skiverband, wenn er denn hätte klagen wollen, keinen Grund für eine Klage gehabt hätte, weil ich vorweg erklärt habe, dass es eine fiktive Geschichte ist.

DIE FURCHE: Gab es vom Skiverband ÖSV Bedenken zu Ihrem Film? Immerhin prangern Sie darin ein regelrechtes System von Übergriffen und Machtmissbrauch an.

Svoboda: Ich stand schon von Beginn an mit dem ÖSV in regem Austausch, da ich im Film ja das ÖSV-Logo verwenden wollte - und man genehmigte es mir auch. Natürlich hätte sich der Verband einen positiven Film gewünscht – das geschieht derzeit ohnehin durch die neue Serie „School of Champions“. Aber sie wussten, ich berichte von einem Fall aus den 1970ern, und man ist beim ÖSV ohnehin bemüht, den Mief der Vergangenheit loszuwerden. Ich habe schon den Eindruck, dass man sich dort der Vergangenheit ernsthaft stellt.

DIE FURCHE: Im Vorjahr sah man im Dokumentarfilm „Stams“, wie körperlich nahe einander junge Sportlerinnen und ihre meist männlichen Trainer kommen. Begünstigt das sexuellen Missbrauch?

Svoboda: Sport ist einfach sehr physisch. Ich glaube, wenn die richtigen Menschen miteinander arbeiten und Vertrauen und Integrität gewahrt bleiben, dann ist so etwas ohne Anflug von Missbrauch möglich. Und das will man ja auch. Wir wollen uns ja nicht in eine aseptische Gesellschaft entwickeln, die Nähe verbietet, weil dabei etwas passieren könnte. Ich glaube, es braucht ein Sensorium, das schon früh anschlägt, wenn sich etwas komisch anfühlt, und man dann schon prophylaktisch eingreifen kann, anstatt hinterher als Reaktion auf Missbrauch.

DIE FURCHE: Also Missbrauch gar nicht erst entstehen lassen?

Svoboda: Körperlichkeit zulassen, freudig leben, aber ein Sensorium haben und stets aufeinander zu achten.

DIE FURCHE: Wieviel Nicola Werdenigg steckt in dieser Andrea Weingartner?

Svoboda: Hätte ich Nicolas Geschichte 1:1 verfilmt, hätte das nicht funktioniert. Das, was sie gemacht hat, nämlich sich ohne Coaching einer medialen Schlacht auszuliefern, schafft normal kein Mensch. Mir ging es darum: Wie fühlt sich ein Mensch, der es wagt, diesen Mut aufzubringen, obwohl ihm so ein Gegenwind widerfährt.

Anonin Svoboda - © Foto: Wikipedia/ Manfred Werner (cc by-sa 3.0)

Antonin Svoboda

ist Filmproduzent und Regisseur („Spiele leben“ 2005, „Der Fall Wilhem Reich“ 2012).

ist Filmproduzent und Regisseur („Spiele leben“ 2005, „Der Fall Wilhem Reich“ 2012).

Kritik zum Film: Außerordentliches Feingefühl

Gerti Drassl spielt die Abfahrtsläuferin Andrea, die es in den 1980er Jahren zu einigen Triumphen gebracht hat und als Hoffnung des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) galt. Bergab zu fahren, das sollte ihr Ruhm, Ehre und eine Karriere bescheren, aber die Hocke-Haltung mit dem herausgestreckten Gesäß, die hat so manchen Trainer auch mal zulangen lassen; geradezu systemisch sexualisiert sei die Zeit beim Weltcup gewesen, geradezu systematisch seien junge Mädchen von vielleicht 15, 16 Jahren vergewaltigt und misshandelt worden, wird Andrea in diesem neuen, außerordentlichen Film von Antonin Svoboda mehrmals berichten. Von Seiten des ÖSV wird hingegen geleugnet, was das Zeug hält. Antonin Svoboda hat das wahre Schicksal von Nicola Werdenigg, die seinem Drehbuch zugrunde liegt, fiktionalisiert. Er tut dies mit viel Feingefühl und schafft auch Gänsehaut-Momente. Drassl brilliert in der Hauptrolle dank ihres emotionalen Spiels aus Resignation, Verzweiflung, leiser Hoffnung und unbedingtem Mut zur Aufklärung. Ein famoser, wichtiger Film.
(Matthias Greuling)

Persona non grata - © Filmladen
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Film

Persona non grata

A/I 2023. Regie: Antonin Svoboda.
Mit Gerti Drassl, Maya Unger, Lukas Miko, Krista Posch, Peter Mitterrutzner.
Filmladen. 90 Min.

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