Flüchtlings-Umstände

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Der stärkste Moment in Jacques Audiards Film "Dämonen und Wunder -Dheepan" passiert am Anfang: Der Übersetzer, der dem "Asyl-Antragsteller" Dheepan (Antonythasan Jesuthasan) beim ersten Gespräch mit der Behörde zur Seite gestellt wird, lügt gleich einmal. Dheepan sei ein Opfer, erzählt er der Dame im Büro, und er sei vor dem Krieg in Sri Lanka geflohen. Tatsächlich kämpfte Dheepan für die Tamil und schreckte vor kaum einer Gräueltat zurück. Weil die Tamil Tigers aber ihr Ziel eines von Sri Lanka unabhängigen Staates nicht erreichten, flüchtet Dheepan nach Frankreich. Um dort eine bessere Chance auf Bleiberecht zu haben, schließt er sich mit einer jungen Frau und einem Waisenmädchen zu einer Scheinfamilie zusammen: Das Trio bekommt eine Wohnung in einer Sozialbausiedlung am Pariser Stadtrand und Dheepan sofort einen Job als Hausmeister. Schnell wird die Siedlung allerdings zum erneuten Kriegsschauplatz zwischen brutalen Gangs und Gut-Gesinnten und Dheepan gerät (nicht zuletzt in einem fulminanten Showdown) zwischen die Fronten. Deutlich zielt Audiard hier darauf ab, zu zeigen, dass "substance und style" auch im Gleichgewicht funktionieren können: Der Film beginnt im Sozialrealismus und steigert sich zur überhöhten Vendetta, bevor er in einer Utopie mündet. Audiard balanciert entlang einer unsichtbaren Linie zwischen den Parteien, derer es in diesem Film - und angesichts des komplexen Themas - viele gibt. Von der linksliberalen Tageszeitung Libération wurde der Film nach seiner Premiere in Cannes verrissen, wohl auch, weil er, obzwar kritisch, doch apologetisch suggeriert, dass es (allein) die Umstände sind, in denen Flüchtlinge in Europa zu leben haben, die erneut Gewalt und Verbrechen produzieren. (Alexandra-Zawia)

Dämonen und Wunder -Dheepan F 2014. Regie: Jacques Audiard.Mit Antonythasan Jesuthasan. Filmladen. 114 Min.

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