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Bei Tag Christen, in der Nacht Voodoosis

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Die Marktfrauen bieten Ananas, Yamswurzeln, Kleider und Kochtöpfe an. Wenige Schritte davon entfernt gibt es in Cotonu, der größten Stadt des westafrikanischen Staates Benin, auch noch einen anderen Markt - den Fetischmarkt. Hier liegen Hunde- und Affenschädel, blutige Ziegen- und Hundeköpfe, aufgeschlitzte Ratten, Rinderknochen, Büschel von Hühnerfedern und Amulette zum Verkauf: Zubehör der Voodoo-Medizin und des Voodoo-Kults.

Hier begannen der Ethnologe und Fotograf Henning Christoph und der Journalist Hans Oberländer ihre Reise in die unbekannte Welt des Voodoo. Viele Menschen denken an Lateinamerika, wenn von Voodoo die Rede ist, doch Voodoo kommt aus Afrika, wurde erst mit den Sklavenschiffen nach Amerika gebracht, wurzelt tief in den afrikanischen Traditionen und ist in Afrika nach wie vor lebendig. Afrikas lebendiger Voodoo-Tradition gingen Christoph und Oberländer in Benin, der Wiege der animistischen Naturreligion Voodoo, nach.

50 Millionen Anhänger hat Voodoo allein in Westafrika. Viele Afrikaner (aber auch Lateinamerikaner) sind „bei Tag Christen, bei Nacht Voodoosis”. Das Wort Voodoo ist gleichbedeutend mit „Das, was man nicht ergründen kann”, aber auch: „Die Kraft, die wirksam ist”. Die Ursprünge reichen Jahrtausende zurück. In Europa wurde erst sehr spät versucht, Voodoo zu verstehen, ein „heidnischer Götzenkult” galt den Kolonisatoren als dem anderen gleich: dunkel, unverständlich, aber auch gefährlich. Voodoo wurde nicht nur als fremd empfunden, sondern auch als dem eigenen heidnischen Erbe, dem „Aberglauben”, nahestehend.

Voodoo ist eine animistische Naturreligion, der jeder Dualismus fremd ist, die sich die gesamte Natur beseelt vorstellt, und zugleich eine sehr pragmatische Religion, ein System von Methoden, in Kontakt mit den göttlichen Kräften sowie mit den Seelen der Verstorbenen zu treten, Gefahren abzuwehren und sie günstig für sich zu stimmen. Neuestes Betätigungsfeld der Voodoo-Heiler ist Aids.

Oberländers Text ist eine umfassende Reportage zum Thema. Christoph gelang eine Fülle großartiger Bilder, er fing die Tier- und Blutopfer (meist von Hühnern) ebenso ein wie die Ekstasen der Voodoosis, die Versammlungen, die Gesichtsbemalun-gen, die Tänze. Der Preis des hervor-ragwend ausgestatteten Buches ist, typisch für den Taschen-Verlag, außerordentlich günstig.

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