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DIE ERSTE SCHWALBE?

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Das Brandenburger Tor ist eines der wenigen historischen Wahrzeichen, die Berlin noch besitzt. Seit Kriegsende, und vor allem seit der Blockade, bildete es eine besondere Nahtstelle, aber auch die Grenze zwischen Ost und West, die über Deutschland hinaus symbolische Bedeutung gewann. Niemand wird die Auseinandersetzungen an dieser Stelle bei dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 vergessen. Die rote Fahne wurde damals vom Brandenburger Tor heruntergeholt, unter dem Schutz sowjetischer Waffen aber erneut gehißt. Wird sie jetzt endgültig verschwinden?

Die Ost-Berliner Verwaltung hat diesmal selbst den Vorschlag gemacht, das Brandenburger Tor in der früheren Form wiederherzustellen. Dazu sind technische Vereinbarungen zwischen Ost- und West-Berlin erforderlich, denn die sichergestellten Gipsformen der Quadriga liegen in der Gipsformerei der ehemals staatlichen Museen in Berlin-Charlottenbürg. Der Senat von West-Berlin hat sich bereit erklärt, die Quadriga wieder in der 1794 von Gottfried Schadow geschaffenen Form, der Viktoria mit dem Viergespann, herzustellen.

Die Quadriga hat ein wechselvolles Schicksal hinter sich. Sie wurde 1794 als Krönung des einige Jahre vorher von Langhans geschaffenen Brandenburger Tores vollendet. 1807 entführte sie Napoleon bei der Besetzung Berlins nach Paris. Sieben Jahre blieb sie in der französischen Hauptstadt, dann brachte Blücher sie nach Berlin zurück.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden 1918 während der Novemberrevolution auch die überlebensgroßen Figuren der Quadriga von einigen Kugeln getroffen. Die Schußlöcher wurden jedoch später wieder ausgebessert. In den letzten Kriegstagen von 1945 wurde durch Beschuß erheblicher Schaden angerichtet. Die Siegesgöttin und ein Pferd wurden zerstört, die übrigen drei Pferde zum Teil schwer beschädigt. Im Mai 1950 ließ die Ost-Berliner Verwaltung die Reste der Quadriga entfernen, da, wie es hieß, die Einzelteile herabzufallen drohten. Diese Reste stehen heute noch in der Ost-Berliner Nationalgalerie.

Schon damals hatte sich West-Berlin bereit erklärt, die Ausführung der Arbeiten und die Kosten der Wiederherstellung der Quadriga zu übernehmen. Das Echo aus Ost-Berlin fiel jedoch negativ aus. Jetzt scheint ein anderer Wind zu wehen. Werden dieser ersten Schwalbe weitere folgen? Wird nicht auch dort einmal „Schneeschmelze“ eintreten? Wir wünschen es den Berlinern und uns recht sehr.

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