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Die „Rote Kammer“ Kanadas

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Die ältesten Politiker der Welt amtieren in Ottawas „Red Cham* her“. Es sind Kanadas Senatoren, die von der Regierung auf Lebenszeit ernannt werden. Nun wird über einen Gesetzentwurf beraten, der darauf zielt, in Zukunft neuernannte Senatoren im Alter von 75 Jahren zu pensionieren. Die im Amt befindlichen Senatoren (mehr als ein Drittel sind über 75 Jahre alt) können weiterhin nach Lust und Laune im Amt bleiben, wenn sie nicht eine Jahrespension von 8000 Dollar vorziehen.

Ein kanadischer Senator wird seiner Position verlustig, wenn er volle

zwei Jahre den Sitzungen fernbleibt, doch selbst bei den wichtigsten „Sessions“ finden sich weniger als die Hälfte der 102 Senatoren ein.

Schon im 19. Jahrhundert waren Bestrebungen im Gange, die „Rote Kammer“ zu reformieren, doch es kam nicht dazu. Bildet eine Partei viele Jahre die Regierung, sterben die Senatoren der Opposition fast aus. Als die Liberalen von 1935 bis 1957 ununterbrochen an der Macht waren, sank die Zahl der konservativen Senatoren auf fünf Hochbetagte, die vor 1935 in die „Red Chamber“ eingezogen waren ...

Wer wird Senator?

Gewöhnlich werden ältere oder besiegte Politiker zu Senatoren ernannt; ebenso Persönlichkeiten, die sich um die Parteiorganisation verdient machten, indem sie als „Bag-men“ (Taschenmänner) fungierten. Das sind Männer, die Gelder für die Parteikasse sammeln, um die Wahlkämpfe zu finanzieren.

Doch es gibt auch Ausnahmen. Zu

ihnen gehört der Blutindianer James Gladstone alias „Akanamuka“ („Viele Gewehre“), der in den Senat berufen wurde, um die mehr als 200.000 Ureinwohner Kanadas zu repräsentieren.

Unvergessen ist auch Rufus Currie, Anwalt aus Amherst (Nova Scotia). Die Regierung hatte ihn ohne sein Wissen zum Senator ernannt, doch

der eigenwillige alte Gentleman lehnte die Ehrung ab. Rufus Currie nahm niemals an einer Senatssitzung teil und schied zwei Jahre später — eben weil er an keiner „Session“ teilgenommen hatte — aus dem Senat, dem er nie angehört hatte. So wollte es das Protokoll.

Heute allerdings dürfte es kaum einen Kanadier geben, der eine Berufung in die „Rote Kammer“ ablehnen würde. Abgesehen von ambi-tionierten jungen Politikern...

Premierminister Lester Bowlet Pearson, der Friedensnobelpreisträger, welcher der Nation nach 97 Jahren endlich eine eigene Flagge gab, meint es mit der Senatsreform ernst. Doch auch Humor war der „Roten Kammer“ schon Anno dazumal nicht fremd. Eine politisch Karikatur, die vor Jahrzehnten erschien, beweist es. Di, Zeichnung zeigte hochbetagte Senatoren im Sitzungssaal, während der Redner einem Opponenten zurief:

„Der ehrenwerte Senator nennt mich einen zitternden, alten Idioten! Ich würde diese Bezeichnung gerne zurück in seine Zähne schleudern —• wenn er welche hätte..

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