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Die Schuldigen und die Verantwortlichen

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Bisher berichteten wir über das Sarajewo in jenem Sommer 1914, einen Amtsvermerk des Offizials Kordą, das erste Verhör mit den eben festgenommenen Attentätern und schließlich über die geistige Ausrichtung der jungen Verschwörer.

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Bisher berichteten wir über das Sarajewo in jenem Sommer 1914, einen Amtsvermerk des Offizials Kordą, das erste Verhör mit den eben festgenommenen Attentätern und schließlich über die geistige Ausrichtung der jungen Verschwörer.

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Ortskundige legten sich nicht ohne Grund die Frage vor, wieso kam es überhaupt dazu, daß das Automobil des Thronfolgerpaares irrtümlich in die Franz-Josef-Straße einbog?

Die Betonung liegt auf irrtümlich.

Wurden nicht dadurch, so folgerte man, die Opfer geradezu vor die Mündung des Revolvers getrieben?

Gewissermaßen „zum Schuß präsentiert”.

Erstaunlich ist nur, wie schnell sich die Öffentlichkeit mit diesem furchtbaren Verdacht abfand. Vielleicht rechnete sie damit, daß die Behörden sich verpflichtet fühlen würden, diesen verhängnisvollen Irrtum aufzuklären.

Kismet

Und wirklich, eines Tages gab es von zuständiger Seite eine Erklärung.

Eines Tages, das war 20 Jahre später, anno 1934.

Baron Cottas, Präsidialchef der Landesregierung für Bosnien und die Herzegowina, Vorgesetzter des damals verantwortlichen Regierungskommissärs Dr. Edmund Gerde, äußerte sich zu diesem heiklen Thema und traf damit den Nagel auf den Kopf.

Er sagte: „Kismet.”

Ja, Kismet wäre es seiner Meinung nach gewesen, daß bei der Fahrt ins Garnisonsspital das vor dem Thronfolgerpaar fahrende Auto „irrtümlich” in die ursprünglich festgesetzte Fahrtrichtung abbog, statt in der beim Aufenthalt im Rathaus anbefohlenen Route weiterzufahren.

Ebenfalls Kismet., daß Feldzeugmeister - Fotiorefc das Auto m,it dem Erzherzog „behufs Korrektur der Fahrtrichtung abstoppen ließ”, so daß die beiden Opfer vor dem in der Menge stehenden Princip „zielbereit” anhielten.

Kismet, daß beide Schüsse, die Princip sozusagen blind abfeuerte, die Schlagadern trafen.

Baron Collas fügte allerdings hinzu, eine 16jährige Tätigkeit „unter und mit Muselmanen” hätte seine Mentalität beeinflußt, er betrachte das Attentat „als Kismet der Personen und der Monarchie”.

Der eine nennt es eben Zufall, glücklich oder tragisch, je nach Gesinnung, der andere Schicksalsfügung. Doch der argwöhnisch um Staat und Recht Besorgte, vor allem der Hüter des Gesetzes, dürfte böse Absichten niemals ausschließen.

Aber die bosnischen Behörden hüteten sich, dieser auf den Grund zu gehen. Jedenfalls geschah nichts zur Aufklärung des verdächtigen Tatbestandes…

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