Dreyfus — anders gesehen
DAS DEUTSCHE DREYFUS-GEHEIMNIS. Vo n Ernst-Otto Ciempiel. Verlag Scherg, München—Bern—Wien. 179 Seiten, Leinen, Preis sFr. 16.80.
DAS DEUTSCHE DREYFUS-GEHEIMNIS. Vo n Ernst-Otto Ciempiel. Verlag Scherg, München—Bern—Wien. 179 Seiten, Leinen, Preis sFr. 16.80.
Die Dreyfus-Affäre, die 1894 bis 1906 in aller Welt gespanntes Interesse wachhielt, erfährt durch die „Studie über den Einfluß des monarchischen Regierungssystems auf die Frankreichpolitik des Wilhelminischen Reiches“ neue Aufhellungen. Diese gruppieren sich um den
2. November 1897, den Tag, an welchem die deutsche Regierung die Unschuld Dreyfus’ erfuhr. Der Verfasser betrachtet den Fall unter dem
Einfluß der verschiedenen Regierungssysteme in Paris und Berlin. Unter Bedachtnahme auf die kompromittierte Deutsche Botschaft in Paris konnte die Reichsregierung Dreyfus nicht restlos entlasten, sie benützte aber die auch für Frankreich höchst peinliche Angelegenheit zur Schmälerung von Frankreichs Ansehen. Daß hierbei das persönliche Regiment Wilhelms II. die Politik erschwerte, mag zutreffen,
man wird jedoch sowohl die deutsche wie die französische Politik jener Zeit anders sehen, sobald man mit den in der heutigen Welt praktizierten außenpolitischen Methoden Vergleiche zieht. Übrigens sagt der Autor, man dürfte nicht „ein Regierungssystem a priori als die entscheidende und maßgebende Kategorie jedes außenpolitischen Vorgangs“ auffassen. Die Studie gibt unter anderem Einblick in die Verflechtungen der deutschen Politik, wie sie durch ihre Haltung in der
Dreyfus-Affäre sogar am Bestand des Dreibundes rüttelte. Auch über das alte Problem der reibungslosen Eingliederung des Militarattachė- dienstes in das Gefüge der diplomatischen Missionen .werden Erwägungen angestellt. Die ungünstige Beurteilung des deutschen Militärattaches von Schwarzkoppen beruht auf der für den Außenstehenden gegebenen Schwierigkeit, den militärdiplomatischen Dienst in allen Einzelheiten zu durchschauen.