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EMANUEL J. REICHENBERGER I VERSÖHNUNG ZWISCHEN DEN VÖLKERN

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In Wien, am 4. Juli 1966, starb Monsignore Dr. h. c. Emanuel J. Reichenberger. Einige Tage später wurde er, den viele „Vater der Heimatvertriebenen" nannten, in Altötting beigesetzt.

Emanuel Reichenberger wurde

1888 in Vilseck (Bayern) gebpren. In Leitmeritz (Böhmen) empfing er 1912 die Priesterweihe, und in dieser Diözese wirkte er viele Jahre als Seelsorger. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, als die nationalen Gegensätze in der Tschechoslowakei immer schärfer wurden, gründete er den „Volks - bund deutscher Katholiken“. Damals stand Reichenberger in engem Kontakt mit führenden Persönlichkeiten der Christlich- Sozialen Österreichs, wie Seipel, Kunschak und Funder. 1938 — im Jahr, das auch in den Augen vieler getäuschter Demokraten zunächst den Sudetendeutschen Freiheit und Gerechtigkeit zu bringen schien — ging Reichenberger in die Emigration: Zu deutlich hatte er das Wesen des Nationalsozialismus erkannt, als daß er es hätte wagen wollen, im Reich eines Adolf Hitler zu leben. Über England kam er in die USA, wo er im Staate Süddakota als „Präriepfarrer“ wirkte.

Reichenberger, der glühende Gegner des Nationalsozialismus, der Erwerber der US-Staatsbür-

gerschaft, trat in den USA und später auch in Europa immer wieder publizistisch entschieden gegen jede Kollektivschuldtheorie und gegen geplante oder auch bereits durchgeführte Zwangsumsiedlungen auf. Nach 1945 organisierte er, ohne über eigene Mittel zu verfügen, in großem Stil Hilfsaktionen für die aus Ost- und Mitteleuropa Vertriebenen, die an Stelle der wirklich Schuldigen für die Verbrechen der Nationalsozialisten zur Verantwortung gezogen wurden. Mit aller Energie erhob Reichenberger seine Stimme gegen dieses Unrecht, und die Lauterkeit seines Bemühens fand fast allgemeine Anerkennung. Österreich — Reichenberger verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Graz und in Wien — zeichnete ihn mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich aus.

In diesem letzten Lebensabschnitt schien Reichenberger nicht immer die klare Linie beizubehalten, der er sonst immer gefolgt war. Viele, die — an ihrem politischen Herkommen und der

Art ihres Handelns gemessen — offensichtlich andere Ziele verfolgten, als dies Reichenberger lange Jahre hindurch getan hatte, nützten das Ansehen des „Vaters der Heimatvertriebenen“ für ihre Zwecke aus. So entstanden Publikationen, die sich auf Reichenberger beriefen, die aber nichts oder nur wenig mit dem von diesem gepredigten Geist der Versöhnung zu tun hatten. Nicht jeder der alten Freunde Reichenbergers wird verstanden haben, warum dieser die Trübung seines Bildes nicht verwehrte.

„Es gibt keine guten und schlechten Völker, aber es gibt in jedem Volk gute und schlechte Menschen, Helden und Heilige, aber auch Schurken und Verbrecher.“ Diese und andere Sätze Reichenbergers zeigen, wie wenig eigentlich diejenigen legitimiert sind, sich auf ihn zu berufen, die versuchen, die Narben Europas wieder aufzureißen. Denn das letzte Ziel Monsignore Reichenbergers war die Versöhnung zwischen den Völkern.

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