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Heilige aus Tirol

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SANKT NOTBURGA. Eine Heilige aus Tirol. Eine Bildgeschichte in drei Teilen. Von Wolfgang von Pfaundler. Verlag Herold, Wien-München, 1962. 335 Seiten, 205 Abbildungen. Preis 174 S.

Pfaundler hat mit seinem im Vorjahr erschienenen „Sankt Romedius“ einen neuen Typus von Bildbüchern geschaffen. Wie andere Bildjournalisten Landschaften, Straßen oder historische Gestalten einzufan-gen versuchen, so geht Pfaundler seinen Heiligen nach, denen diese neue Buchreihe, „Heilige aus Österreich“, gewidmet sein soll. War Romedius ein recht wenig bekannter Lokalpatron, dem freilich mindestens zwei interessante, alte Wallfahrte gewidmet sind, die sich als bildmäßig sehr ergiebig herausstellten, so kann die heilige Notburga als eine in Altösterreich weitbekannte Volksheilige gelten. Pfaundler hat sich sehr gewissenhaft über die Stellung der Wissenschaft, sowohl der Geschichte wie der Volkskunde, der Hagio-graphie und der Ikonographie zu dieser Patronin des bäuerlichen Standes, insbesondere der bäuerlichen Dienstleute, orientiert. Eine äußerst umfangreiche Bibliographie legt Zeugnis dafür ab, sämtliche späteren Notburga-Forscher werden Pfaundler dafür dankbar sein. Er selbst hat alle die darin enthaltenen Hinweise vor allem benützt, um ihnen nachzugehen, nachzufahren, um womöglich alle Kultstätten zu sehen und zu photographiercn, an denen die Heilige verehrt wurde. Um alle Kultformen festzuhalten, um die zahlreichen Altarbilder und Plastiken aufzunehmen, die Votivbilder und kleinen Andachtsgraphiken, kurz, was alles für die Blütezeit der Notburga-Verehrung Zeugnis ablegt. Insbesondere hat ihn selbstverständlich die noch lebendige Verehrung in Tirol gefesselt, das Auftreten von kleinen Notburga-Darstellerinnen in Prozessionen und deren lebendiger Umkreis. Besessen von dieser Form der Verlebendigung, stellt er unter Umständen sogar eine wächserne Notburga-Plastik aus ihrem Glasschrein heraus aufs Feld, zwischen Kornmandeln (S. 45), und photographiert sie dort.

Dieser Drang nach Verlebendigung mag manchmal zu weit gehen. Aber er macht das Bildbuch doch zu einer Leistung von eigenem Format. Daß Pfaundler die Forschung, der er ein eigenes Kapitel widmet, nicht eigentlich auswertet, sondern nur respektvoll zitiert, wird man daneben ohne weiteres hinnehmen. Daß er in den äußerst umfangreichen Anmerkungen jede Bemerkung und jedes Bild ausführlich zu belegen sucht, ist löblich, wäre aber in diesem Umfang vielleicht gar nicht nötig. Die Rechtfertigungsrede des Kanzlers Bienner zum Beispiel (S. 199 ff.) ist in diesem Buch doch überflüssig. Aber Pfaundler will wohl den Rattenbergern, deren Stadt er so vorzüglich photographiert hat, auch etwas Literatur an die Hand geben. Man versteht vielleicht vieles an den Büchern Pfaundlers nicht, wenn man sie nicht vom inner-tirolischen Standpunkt aus ansieht.

Wenn man von einer vielseitigen, kulturgeschichtlich interessierten Volkskunde herkommt, wird man das Buch jedenfalls dankbar begrüßen. Es bietet auch für den Fachmann sehr viel, schließt literarisch und optisch Gebiete auf, die in der üblichen Bildbuchliteratur überhaupt nicht verwertet werden, und bezieht in besonders dankenswerter Weise auch die heute außerhalb Österreichs liegenden Gebiete der Notburga-Verehrung mit ein. Außer ganz wenigen Spezialisten hat doch kaum jemand noch zur Kenntnis genommen, daß es in Jugoslawien, besonders in Slowenien, eine reiche Notburga-Verehrung gegeben hat, deren Zeugnisse Pfaundler hier zumeist erstmalig veröffentlicht. Eine kleine Karte — wir haben ihre Verwendung anläßlich des Romedius-Buches angeregt — gibt einen ersten Uberblick über das Kultgebiet dieser österreichischen Volksheiligen, und auch dabei wird man wieder sagen müssen, daß Pfaundler als begeisterter Auswerter aller Notburga-Forschung vor ihm doch zuerst dieses Bild gesehen und gezeigt hat. Wie beim Romedius-Buch, darf man übrigens wohl bescheinigen, daß es sich, was die Art der Aufmachung des Buches betrifft, um eine verlegerische Tat handelt.

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