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Helden ohne Pathos

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Das Lebenswerk des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, von dem die Quadriga auf dem Brandenburger Tor stammt, kann nun endlich wieder in ganz Deutschland gewürdigt werden.

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Das Lebenswerk des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, von dem die Quadriga auf dem Brandenburger Tor stammt, kann nun endlich wieder in ganz Deutschland gewürdigt werden.

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Das Brandenburger Tor mit der Quadriga: nichts hat symbolhafter deutsche Geschichte die letzten zwei Jahrhunderte begleitet. 1793 war die Quadriga von Johann Gottfried Schadow auf den Neubau von Carl Gotthard Langhans gesetzt worden. 1806 wurde sie auf Befehl Napoleons nach Paris gebracht, 1814 im Triumphzug heimgeholt, 1945 von Botarmisten erstürmt, 1989 von wiedervereinigungs-trunkenen Menschen zum Wackeln gebracht, 1991 nach Bestaurierung erneut emporgehievt auf das nun geöffnete Tor zwischen den beiden Teilen Berlins. Dazwischen immer wieder Marschkolonnen von siegreichen und geschlagenen Soldaten, braunen Fackelträgern, et cetera, et cetera.

Die Quadriga war der erste große und zugleich wohl der schwierigste Denkmal-Auftrag, den der noch nicht dreißigjährige brandenburgische Schneiders-Sohn Schadow bekam. Mit 24 Jahren bereits war er „Direktor aller Skulpturen beim Hofbauamt”, also Hofbildhauer geworden. Die meisten seiner Werke waren nach 1945 im Osten Berlins, weshalb erst jetzt wieder eine umfassende Ausstellung dieses Künstlers und seines Umfeldes möglich war. Von Düsseldorf wandert sie nach Nürnberg, dann nach Berlin.

Schadow hatte schon früh Zeichenunterricht beim Hofbildhauer Tassaert und seiner Frau bekommen, bevor er die Berliner Akademie der Künste besuchte und dann Gehilfe im Atelier Tassaert wurde. Eine Heirat mit dessen Tochter hätte die Karriere befördert. Doch Schadow hatte sich im Salon der Henriette Hertz (die er auch porträtierte) in Marianne Devidels verliebt.

Mit der Tochter eines jüdischen Juweliers aus Wien flüchtete er nach Born. Unterwegs lernte er in Wien Heinrich Füger und Franz Anton Zauner kennen. Um Marianne nach römischem Kirchenrecht heiraten zu können, wurde er vorübergehend katholisch. Die Ehe stand zunächst (trotz des wohlhabenden Schwiegervaters) auf unsicherem materiellem Fundament. Schadow setzte sich aber in Born bald durch, was angesichts solcher Konkurrenz wie Cano-va und Dannecker erstaunlich ist. 1787 kehrte er nach Berlin zurück und arbeitete zunächst für die Porzellan-Manufaktur. Schon 1788 starb Tassaert, Schadow wurde sein Nachfolger.

In Berlin herrschte der Geist der Aufklärung und der Weltoffenheit. Natürlich kam der Hofbildhauer, der nun über ein großes Atelier und etliche selbst gewählte Mitarbeiter gebot, vor allem die Aufgabe zu, Helden zu porträtieren und zu verewigen. Aufträge für Grabdenkmäler, bauplastische Aufgaben für das Berliner Stadtschloß waren Arbeiten, die so gut es ging geleistet werden mußten.

Eigenständigkeit bewies Schadow zuerst am Typus des „Denkenden Helden”. Denkmäler der Generäle Ziethen und Blücher, des Fürsten

Leopold von Anhalt-Dessau (des „Alten Dessauers”) zeigen keine gezogenen Säbel, sondern eine Kombination von Kontemplation und Aktion, von Tat-Entschlossenheit nach sorgfältigem Überlegen. Mit dem Verzicht auf die im Klassizismus übliche antike Gewandung zugunsten der sorgsam nachgebildeten Uniform der Generäle nahm er ihnen ebenfalls ein Stück Pathos, holte sie gleichsam in seine bürgerliche Welt.

Das wurde ihm vielfach verübelt: „Des Schadows Antagonisten, haben die Figur säuberlich mit Dreck beworfen, der Begen hat sich aber erbarmet, und den Dreck abgespühlet, und nun stehet sie wieder schön Weiß da” hieß es 1801 in einem Brief. Schadow wies Kritik souverän zurück: „Im Vaterländischen liegt das Allgemein-Menschliche.” Menschliche Individuen sind, bei aller Stilisierung, die Helden des Krieges wie die des Geistes: Wieland, Luther ... Goethe wirkt wie ein distinguierter Beamter, wie ein Verwandter Grillparzers.

Am schönsten sind die Frauenbildnisse. Herausragend die zarte Anmut des Doppelporträts der Prinzessinen Luise (der späteren preußischen Königin) und Friedrike von Mecklen-burg-Strehlitz. Wie man jedoch die Königin darzustellen hatte und den Dichter Goethe, das zeigte Schadows Schüler Christian Daniel Bauch. Er kam dem antikisierenden Zeitgeist entgegen und verdrängte zeitweise den Lehrer: „Mein Buhm ist in Bauch aufgegangen.” Als Schadow nur noch zur eigenen Freude schuf, gelangen ihm so hinreißende Alterswerke wie das „Buhende Mädchen” (1826), das auf ganz persönliche Art den hellenistischen „Hermaphroditen Borghese” variiert.

Schadow starb 1850 in Berlin. Sein Sohn Wilhelm von Schadow leitete die Düsseldorfer Kunstakademie und gilt als Begründer der Düsseldorfer Malerschule. Mit der Scha-dow-Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle wurde die „Schadow-Ga-lerie” als Einkaufs-Paradies eröffnet. Sie ist nach dem Junior benannt, der 1862 in Düsseldorf starb.

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