S chon die Ouvertüre ist ein zwiespältiges Erlebnis: Da sprengt das Interesse an der Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE) zwar fast den Saal im Wiener "Haus der Musik“, doch werden dort vor allem Werte der Vorgängerstudie für 2009 präsentiert. Unbemerkt vom Vortragenden, ohne Protest des Publikums. Die den Irrtum entlarvende Fibel gibt’s erst zum Abschied an der Garderobe.
Das Ritual zur großen Media-Analyse (MA) verläuft dagegen fehlerfrei - ein paar Tage später im Café Landtmann: Daten-Litanei mit Power-Point-Lesehilfe; alle Halbjahre wieder. Diesmal lauert der Teufel im Detail der danach verteilten Broschüre: Ihr Vorwort verspricht "verlässliche Informationen zur Nutzung von Print, Radio, Fernsehen“ etc., doch der TV-Interessierte sucht sie vergeblich.
Nicht der seit Langem angekündigte Media Server löst die MA ab, sondern diese sich langsam auf. Denn das erstmalige Fehlen der fusionierten Teletest-Daten ist erst der Anfang: Weitere Abschiede ganzer Bereiche zeichnen sich ab. So zerlegt es den 2,3 Millionen Euro teuren kleinsten gemeinsamen Nenner der Mediaforschung in seine Einzelteile. - Das ist verständlich aus Sicht jener, die sich im Vergleich von Äpfeln und Birnen benachteiligt sehen - einerseits durch unterschiedliche Mediennutzung, andererseits durch andere Marktforschung. So misst der Teletest TV-Quoten ab zwölf, die MA erhebt Zeitungsdaten erst ab 14 Jahren. Außerdem sind im Fernsehsektor Marktanteile ausschlag- gebend, in der Presse Reichweiten.
Das (Fach-)Publikum aber braucht eine neue gemeinsame Währung. Sein Vertrauen in bisherige Studien schwindet nicht nur durch gefälschte Auflagenzahlen, unplausible Daten der MA und Pannen der LAE: Wer die Kontakt-Telefonnummer zur von öffentlich-rechtlichem und Privat-TV getragenen Arbeitsgemeinschaft Teletest wählt, landet direkt in der Medienforschung - des ORF.
* Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst
