Gründe für das jordanische Wunder

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Jordanien hat kaum wirtschaftliche Ressourcen - und ist dennoch zum Finanzplatz der Region aufgestiegen.

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Jordanien hat kaum wirtschaftliche Ressourcen - und ist dennoch zum Finanzplatz der Region aufgestiegen.

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"Ich weiß nicht, wie dieses Land existiert, aber es existiert." Diesen Ausspruch eines deutschen Experten, der vor 20 Jahren Jordanien besuchte, zitiert Younes J. Altamimi. Der Ex-Diplomat und Bankenfachmann hat in den 1970er Jahren in Wien studiert und interessiert sich im Ruhestand nicht zuletzt für den christlich-muslimischen Dialog. Altamini gehört auch zu den Pionieren des "Islamic Banking", das nicht nur in der arabischen Welt populär wird, wenn auch erst vier von den 26 jordanischen Banken nach dieser dem Investmentbanking vergleichbaren Methode der Geldanlage arbeiten.

Jordanien hat, so Altamimi, als Finanzplatz längst Beirut abgelöst. Die Stabilität des Landes trotz der enormen Herausforderungen (vgl. den nebenstehenden Beitrag) hat zu dieser Entwicklung geführt, die zugleich ein wenig wie eine Versicherung in Krisenzeiten fungiert, obwohl das paradox scheint: "Seit 1948 war für Jordanien die Situation immer kritisch", meint Altamimi. Und -trotz fehlender wirtschaftlicher Ressourcen - hätten die königliche Familie und die Bevölkerung wesentlich zur Stabilität beigetragen. Vom Geld, das die im Ausland lebenden Jordanier zurückschicken, hänge die wirtschaftliche Stärke ebenso ab wie von Investoren aus dem arabischen Raum: "Das ist das jordanische Wunder", so Altamimi.

Wer vor 25 Jahren die jordanische Hauptstadt bereiste, hätte sich nie vorstellen können, welche Boomtown ihm 2013 entgegentreten würde: In den 1920er Jahren, als die haschemitische Königsfamilie hierherkam, gab es kaum 10.000 Einwohner, heute zählt die Metropole des Nahen Ostens mehr als zwei Millionen - und das trotz prekärer Wasserversorgung und anderer eigentlich kaum lösbarer Probleme, die auf eine derartige Agglomeration in der Wüste zukommen. Dies zeitigt im vierttrockensten Land der Welt dramatische Folgen: So sinkt der Wasserspiegel des Toten Meeres als Folge des Wasserbedarfs in Israel wie in Jordanien jährlich um einen Meter! Ein Kanalprojekt, das Meerwasser aus dem Golf von Akaba im Süden nach Nordjordanien bringen sollte, ist geplant - es wurde wegen der politischen Ereignisse von Ägypten bis Syrien gestoppt, denn zurzeit fehlt einfach das Geld dazu.

Der König als Identitätsstifter, die Königin als Role Model

Aber zum angesprochenen "Wunder" gehört es, dass das Land trotz all dieser Fährnisse und der unglaublichen Flüchtlingswelle bis heute stabil ist. Und jeder im Land, den man fragt, nennt als erstes die Königsfamilie, deren identitätsstiftende Rolle auffällig bleibt, als einen wesentlichen Faktor dabei. Dass landauf landab die Bilder der Herrscher - darunter der 1999 verstorbene König Hussein - hängen, ist man auch von anderswo gewohnt. Dass aber fast in jedem politischen Gespräch Hochachtung für König Abdullah II. durchklingt, mag

ein Aufweis für die Beliebtheit des Monarchen sein. Und Königin Rania, die keinen Schleier trägt, gilt als Role Model für Frauen in der traditionellen Gesellschaft Jordaniens. Auch der katholische Erzbischof Maroun Lahham preist den König und beschreibt dessen Verhältnis zu den wenigen, etwa 200.000 Christen im Land als "exzellent".

Seit den Zeiten Bruno Kreiskys ist auch der Ruf Österreichs in Jordanien gut. Ex-Diplomat Altamimi sagt: "Die Jordanier haben eine Vorliebe für Österreich." Auf die Frage, ob sich das österreichische Engagement in der Region nicht stark verringert hat, wird er diplomatisch: "Ich frage jeden österreichischen Botschafter in Amman, warum es immer weniger Aktivitäten gibt. Das ist schade." Die Möglichkeiten wären da, meint Altamimi: "Österreich hält sich aber ein wenig zurück."

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