Handeln aus Solidarität mit den Menschen

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Die Menschen am Rande der Kirche wieder mehr in den Blick zu nehmen, dass fordert der Grazer Professor für Katechetik und Religionspädagogik, Wolfgang Weirer. Es ist Mitunzeichner des Memorandums.

Die Furche: Das Memorandum kam für viele überraschend. Warum kam es gerade jetzt?

Wolfgang Weirer: Der unmittelbare Anlass ist die Krise in der Kirche durch Missbrauchsfälle und die hohen Austrittszahlen. Es braucht also ganz dringend einen tief gehenden Reformprozess, wo auch auf die Freuden und Hoffnungen, Sorgen und Ängste der Menschen geschaut wird.

Die Furche: Die Forderungen sind nicht neu. Hoffen Sie und Ihre Kollegen durch ihre Position mehr Gehör bei der Kirchenleitung zu finden?

Weirer: Das stimmt, die Forderungen sind nicht neu. Ich verstehe dieses Memorandum als Beitrag zum bereits begonnenen Dialogprozesses. Wir Theologieprofessoren verstehen uns nicht als Kontrapunkt zur Kirche, sondern als Teil der Kirche. Wir handeln in tiefer Solidarität mit den Menschen, die in der Kirche leben und in der Kirche arbeiten.

Die Furche: Viele, die sich für Reformen in der Kirche einsetzen, haben das Gefühl, dass nichts weitergeht. Glauben Sie, dass die Forderungen des Memorandums je umgesetzt werden?

Weirer: Ich habe den Eindruck, dass das Memorandum sehr schnell und deutlich wahrgenommen wurde. Innerhalb kürzester Zeit hat es die Deutsche Bischofskonferenz als positiven Gesprächsimpuls gewürdigt. Ich glaube nicht, dass es von heute auf morgen zu gravierenden Veränderungen kommen wird. Was ich mir erhoffe ist, dass es uns gelingt, jene Menschen wieder in den Blick zu nehmen, die am Rand der Kirche stehen oder von ihr dorthin gestellt wurden. Ich glaube nämlich, dass wir innerkirchlich vielfach ein Bild von Menschen haben, das der Realität nicht mehr entspricht. Da eine geschärfte Wahrnehmung zu entwickeln, ist dringend notwendig.

Die Furche: Stichwort Gesprächsangebot. Gab es ihnen gegenüber Stellungnahmen zum Memorandum kirchlicherseits?

Weirer: Ich habe überhaupt keine Reaktion von der "offiziellen“ österreichischen Kirche wahrgenommen. Ich habe aber sehr wohl erstaunlich viele positive Rückmeldungen von Menschen aus der Kirche erhalten. Das hab ich überhaupt noch nie erlebt.

Die Furche: Die anglikanische Kirchengemeinschaft ist von ihrer Struktur her der katholischen Kirche nicht unähnlich. Die Forderungen des Memorandums wurden in einzelnen Gliedkirchen umgesetzt. Jetzt hat der Primas der Anglikaner alle Hände voll zu tun, die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Würde es dem Papst nicht gleich ergehen?

Weirer: Eine Reform ist immer ein Risiko. Wir nehmen natürlich die Reaktionen aus konservativen katholischen Kreisen wahr. Ich denke, es braucht einen sensiblen Prozess um keine große Gruppierung abzukoppeln. Die schlechtere Alternative aber ist, dass der Mainstream abgekoppelt wird und die Kirche sich zu einer kleinen Herde entwickelt.

* Das Gespräch führte Stefan Janits

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